Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers – und die Anforderungen an seine Belehrung

Verletzt der Versicherungsnehmer die ihm obliegende Anzeigepflichten, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, allerdings nur, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat, § 19 Abs. 5 VVG n. F.

Ein Versicherer erfüllt die formalen Voraussetzungen eines Hinweises gem. § 19 Abs. 5 VVG n. F. nicht, wenn eine inhaltlich zutreffende Belehrung für den Versicherungsnehmer nicht in unmittelbarer Nähe zu den gestellten Gesundheitsfragen drucktechnisch hervorgehoben wiedergegeben und dort auch nicht präzise und unübersehbar auf den Fundort der Belehrung hingewiesen wird. Die Aufnahme der Belehrung in ein umfangreiches Bedingungswerk ist keine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n. F.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Belehrung gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. nur dann formell ausreichend, wenn sie durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung in drucktechnisch ausreichendem Maße hervorgehoben hinweist.

Dem Erfordernis einer gesonderten Mitteilung in Textform im Sinne von § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. genügt es, wenn der Versicherer die Belehrung des Versicherungsnehmers in einen Antragsformularbogen aufnimmt, in welchem dem Versicherungsnehmer Fragen zur Aufklärung des Gesundheitszustandes gestellt werden. Die Platzierung und drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text muss sich derart abheben, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist.

Bereits nach altem Versicherungsvertragsrecht war allgemein anerkannt, dass die Belehrung sowohl drucktechnisch als auch hinsichtlich ihrer Platzierung so ausgestaltet werden musste, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen war, sich insbesondere vom übrigen Text desselben Dokuments durch eine andersartige drucktechnische Gestaltung ausreichend abhob. Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Anforderungen bei Übernahme des Belehrungserfordernisses in das neue Versicherungsvertragsgesetz abschwächen wollte. Vielmehr weisen die Gesetzesmaterialien – insbesondere auch zu dem Belehrungserfordernis des § 19 Abs. 5 VVG n.F. – aus, dass die Formerfordernisse der Belehrung mit dem Gebot einer gesonderten Mitteilung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verschärft werden sollten1. Lässt man die Aufnahme des Belehrungstextes in ein Fragebogenformular oder ein anderes – Fragen des Versicherers enthaltendes – Schreiben oder Ähnliches zu, ist im Gegenzug weiterhin und vermehrt zu fordern, dass die Belehrung drucktechnisch so gestaltet sein muss, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt; und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann2.

Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die hier in Rede stehende Belehrung der Versicherung nicht.

Das von der Versicherung verwendete Antragsformular verfügt zwar auf der zweiten Seite über einen Hinweis bezüglich der Folgen einer Anzeigepflichtverletzung und ist mit Fettdruck hervorgehoben. Sie stehen auch im notwendig räumlichen Zusammenhang mit der „Risiko- und Gesundheitserklärung der zu versichernden Person“ auf der gleichen Seite.

Insbesondere ist der Hinweis im Antrag auf der zweiten Seite nicht zu übersehen: „Falls Sie die gestellten Fragen falsch oder unvollständig beantworten, kann die H. Leben vom Vertrag zurücktreten, ihn anfechten, ihn kündigen, ihn anpassen oder die Leistung verweigern (bitte beachten Sie dazu die ausführlichen Hinweise in der Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht). …“

Jedoch ist dieser bei den Gesundheitsfragen nicht zu übersehende Hinweis gem. § 19 Abs. 5 VVG nicht ausreichend, weil er für sich genommen inhaltlich auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nicht ausreichend hinweist und belehrt.

Der weitere Hinweis vor der Unterschriftsleiste (Seite 3), der ebenfalls fettgedruckt ist, reicht inhaltlich ebenfalls nicht aus: „Bitte lesen Sie unbedingt die Schlusserklärung sowie die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht, die wichtiger Bestandteil dieses Vertrages ist. Sie machen sie mit Ihrer Unterschrift zum Inhalt dieses Antrages.“

Eine materiell und inhaltlich ausreichende Belehrung gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. zur vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung ist auf der dritten Seite des Antragsformulars nicht zu finden.

Der inhaltlich unzureichende Hinweis auf der dritten Seite des Antrags, der wohl auf die „Bedingungen und Informationen BED10A“ verweisen soll, ist als Weiterverweisungshinweis jedoch auch in formeller Hinsicht nicht ausreichend. Dieser Weiterverweisungshinweis in Fettdruck ist in keiner Weise geeignet, einen Antragsteller zum Fundort der „Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht“ zu führen. Die „Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht“ auf der S. 67 des umfangreichen Bedingungswerks „Bedingungen und Informationen BED10A“ könnte zwar noch inhaltlich ausreichend sein. Unverzichtbar ist jedoch, dass deutlich im räumlichen Bereich und Zusammenhang der Gesundheitsfragen oder an einer hinreichend exponierten Stelle im Antrag mit genauem Fundort hingewiesen wird.

Die (Weiter-)Verweisungen im Antragsformular sind nicht ausreichend, weil sie den Fundort nicht konkret nennen. Die Verweisung auf der 3. Seite des Antragsformulars, unmittelbar über der Unterschriftszeile für alle Vertragserklärungen des Antragstellers, enthält darüber hinaus zusätzlich weitere Informationen zu anderen wichtigen Erklärungen, hier der „Schlusserklärung“ (vgl. im Antrag Seite 7 und 8). Der Weiterverweisungshinweis auf der dritten Seite des Antragsformulars reicht nicht ansatzweise aus, um die Aufmerksamkeit des Lesers in gebotenem Maße auf die 67. Seite des Bedingungswerks „Bedingungen und Informationen BED10A“ zu lenken. Diese Weiterverweisung ist aufgrund ihrer äußeren Gestaltung und aufgrund der fehlenden konkreten Benennung des Fundortes nicht einer gesonderten Mitteilung, wie sie das Gesetz fordert, gleichzusetzen.

Auch die Aufführung im „Inhaltsverzeichnis“ der „Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht“ im Bedingungswerk „Bedingungen und Informationen BED10A“ führt zu keiner formellen ausreichenden Belehrung, weil dieser Hinweis ebenfalls nicht hinreichend ist, den ohnehin zweifelhaften und unklaren Weiterverweisungshinweis im Antrag, dort auf S. 3, zu kompensieren. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die „Bedingungen und Informationen BED10A“ eine Vielzahl von Versicherungsbedingungen und sonstiger Informationen enthält, weshalb von einer, wenn überhaupt zulässigen, Weiterverweisung in ausreichend drucktechnischer Form keinesfalls auszugehen ist.

An eine Belehrung zu der für einen Versicherungsnehmer zentralen und rechtlich bedeutsamen Belehrung wegen der einschneidenden Rechtsfolgen bei Verletzung von Anzeigepflichten sind bei „Weiterverweisungshinweisen“ gesteigerte Anforderungen zu stellen. Der Versicherungsnehmer muss in einem für ihn unbekannten Versicherungsantrag die für ihn wichtigen Hinweise nicht selbst mühsam suchen.

Nach der einhelligen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Belehrung nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n. F. – wie auch bei § 28 Abs. 4 VVG n. F. – so zu platzieren, drucktechnisch zu gestalten; und vom übrigen Text hervorzuheben, dass sie für den Versicherungsnehmer „nicht zu übersehen ist“. Dies kann bei einer Weiterverweisung auf sonstige Hinweise, wie von der Versicherung gestaltet, nicht ansatzweise gewährleistet werden.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 17. April 2014 – 7 U 253/13

  1. BGHZ 196, 67 ff., Rn. 24 mit Nachw.; Leverenz, VersR 2008, 709 f.[]
  2. BGHZ 196, 67 ff., Rn. 24; OLG Stuttgart, Urteil vom 13.03.2014 – 7 U 216/13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.07.2012 – 7 U 23/12 mit NZB, Beschluss des BGH vom 11.09.2013 – IV ZR 253/12; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.09.2013 – 7 U 101/13; OLG Naumburg, VersR 2012, 973 f.; OLG Karlsruhe, VersR 2010, 507 ff.; OLG Karlsruhe VersR 2010, 1448 f.; OLG Hamm VersR 2011, 469 ff., Rn. 72 ff.; LG Dortmund, VersR 2010, 465, 467, jeweils zu § 19 Abs. 5 VVG; MünchKomm, VVG, § 28, Rn. 340[]