Beratungfehler des Versicherungsmaklers – und die Beweislast im Haftungsprozess

Zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt eines durch die fehlerhafte Beratung eines Versicherungsmaklers verursachten Schadens hat jetzt der Bundesgerichtshof Stellung genommen:

Der haftungsausfüllende Ursachenzusammenhang zwischen dem Haftungsgrund und dem Eintritt des geltend gemachten Schadens ist nach dem Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen; dabei ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge ohne die Pflichtverletzung genommen hätten und wie sich die Vermögenslage des Anspruchstellers ohne die Pflichtverletzung darstellen würde; darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit grundsätzlich der Geschädigte1.

Allerdings kann sich dieser bei der Beurteilung, ob ein schuldhafter Verstoß des Versicherungsmaklers gegen Hinweis- oder Beratungspflichten einen wirtschaftlichen Nachteil verursacht hat, auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens stützen. Danach trifft den Makler die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Geschädigte sich über die aus der Aufklärung und Beratung folgenden Verhaltensempfehlungen hinweggesetzt hätte und deshalb der Schaden auch bei vertragsgerechter und pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung eingetreten wäre2.

Dementsprechend ist vorliegend zwar davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer bei zutreffender Beratung durch den Versicherungsmakler bei Antragstellung die vorliegenden Erkrankungen wahrheitsgemäß angegeben hätte. Auf die hier im Vordergrund stehende – bestrittene – Behauptung, dass auch bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen Versicherungsschutz zu erlangen gewesen und ein Versicherungsvertrag mit der Lebensversicherungs-Gsellschaft zustande gekommen wäre, erstreckt sich diese Vermutungswirkung nicht. Vielmehr verbleibt es insoweit bei der Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten3.

Die Annahme, die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis, dass der Versicherungsnehmer auch bei aufklärungsgemäßem Verhalten keine Versicherungsleistung erhalten hätte, sei schon deshalb erbracht, weil die Lebensversicherungs-Gesellshcaft den Versicherungsvertrag wirksam angefochten habe und deshalb „zwangsläufig“ bei Kenntnis der Erkrankungen den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, ist rechtsfehlerhaft. Abgesehen davon, dass ihr – wie ausgeführt – eine fehlerhafte Sicht der Darlegungs- und Beweislast zugrunde liegt, verkennt sie den Kern des Vorbringens des Versicherungsnehmers.

Die Anfechtung der eigenen Willenserklärung des getäuschten Versicherers ist nicht nur dann zulässig, wenn er diese bei Vertragsschluss überhaupt nicht abgegeben hätte. Die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Willenserklärung ist im Rahmen der Anfechtung nach § 22 VVG, § 123 BGB auch dann gegeben, wenn die Willenserklärung ohne die Täuschung mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben worden wäre4. Die erfolgte Anfechtung durch die Lebensversicherungs-Gesellschaft besagt daher noch nicht, dass sie den Vertrag unter keinen Umständen geschlossen hätte.

Auf die Grundsätze zur sogenannten sekundären Darlegungslast5 kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13

  1. vgl. nur BGH, Urteile vom 22.05.1985 – IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 362; vom 30.09.1993 – IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 313; vom 12.12 1996 – IX ZR 214/95, BGHZ 134, 212, 214; und vom 23.11.2006 – IX ZR 21/03, VersR 2007, 393 Rn. 21[]
  2. BGH, Urteil vom 22.05.1985 aaO S. 363; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 63 Rn. 17[]
  3. so auch OLG Brandenburg, Urteil vom 19.03.2014 – 11 U 212/12 25; OLG Koblenz, OLGR 2007, 8, 9[]
  4. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 123 Rn. 24; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 123 Rn.20[]
  5. vgl. BGH, Urteile vom 10.12 2013 – VI ZR 534/12, NJW-RR 2014, 614 Rn. 17; und vom 03.06.2014 – VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797 Rn.20[]