Die Erklärung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, im Falle seines Todes solle „der verwitwete Ehegatte“ Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin auszulegen, dass der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll1.
Bei der Bestimmung der Bezugsberechtigung durch den Versicherungsnehmer handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst wirksam wird, wenn sie dem Versicherer zugeht (§ 166 Abs. 1 VVG a.F.; § 159 Abs. 1 VVG n.F.; BGH, Urteil vom 26.06.2013 – IV ZR 243/12, VersR 2013, 1121 Rn. 10 m.w.N.). Wem der Versicherungsnehmer mit der Formulierung „der verwitwete Ehegatte“ im Todesfall ein Bezugsrecht einräumt, ist durch Auslegung der Willenserklärung des Verfügungsberechtigten zu ermitteln.
Die Auslegung bezieht sich aber auf den Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer seine Erklärung abgibt2. Maßgeblich ist also der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandene und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers3; spätere Umstände sind hingegen grundsätzlich unerheblich. Insbesondere bleiben nachträgliche Überlegungen oder Absichtserklärungen des Versicherungsnehmers außer Betracht, wenn sie dem Versicherer nicht so mitgeteilt worden sind, dass dieser nach objektivem Empfängerhorizont den Inhalt einer etwaigen Bezugsrechtsänderung erkennen kann4.
Wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, bietet der Wortlaut „Ehegatte“ keinen Anhalt dafür anzunehmen, ein Versicherungsnehmer wolle damit nicht den zum Zeitpunkt der Erklärung mit ihm verheirateten Ehegatten, sondern allgemein diejenige Person begünstigen, die zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm verheiratet sein wird5. Im Gegenteil verbindet ein Versicherungsnehmer mit dem Wort „Ehegatte“ solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen regelmäßig nur die Vorstellung, dass damit derjenige gemeint ist, mit dem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Erklärung verheiratet ist. Eine Vorstellung, dass es sich bei einer solchen Bezugsrechtsbestimmung nicht um die Bezeichnung einer ganz bestimmten, lebenden Person, sondern um eine abstrakte Bezeichnung handelt, ist dem Versicherungsnehmer fremd. Erst recht ergibt sich ein solcher Erklärungsinhalt nicht nach der allein maßgeblichen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) des Versicherers.
Eine gegenteilige Auslegung, die dies aus dem Eigenschaftswort „verwitwet“ entnehmen will, ist rechtsfehlerhaft. Denn insoweit kommt es allein auf das Verständnis des Ehemannes zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung an, wie es sich nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) der Versicherung Beklagten darstellt. Hier ist jedoch aus Sicht des Ehemannes typischerweise die zu diesem Zeitpunkt mit ihm verheiratete Frau im Versicherungsfall der „verwitwete Ehegatte“, weil das Bezugsrecht nach der ausdrücklichen Regelung nur im Todesfall greifen soll6. Dies gilt zumindest dann, wenn nicht ersichtlich ist, dass sich der Versicherungsnehmer Gedanken über den Fortbestand seiner Ehe mit seiner damaligen Ehefrau machte oder gar den Fall einer Scheidung und Wiederheirat in Betracht zog, als er die Bezugsrechtsbestimmung erklärte.
Auch aus dem Umstand, dass die bezugsberechtigte Person nicht konkret benannt worden ist, folgt nichts anderes. Der Verzicht auf die volle Namensnennung rechtfertigt keine differenzierende Betrachtungsweise7. Noch weniger ist ersichtlich, wie der Empfänger der Erklärung, der Versicherer, von seinem Horizont her davon hätte ausgehen sollen, dass der Ehemann mit seinem „verwitweten Ehegatten“ eine andere Person gemeint haben könnte, als diejenige, mit der er zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung verheiratet war8.
Die vom Versicherungsnehmer in der Begünstigungserklärung vorgenommene Einsetzung seiner ersten Ehefrau als Bezugsberechtigter ist auch nicht nachträglich infolge der Scheidung dieser Ehe wieder entfallen.
Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Benennung des Ehegatten des Versicherungsnehmers als Bezugsberechtigten einer Versicherungsleistung ohne Hinzutreten besonderer Anhaltspunkte nicht auflösend bedingt ist durch eine Scheidung der Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles9. Denn bei der Verwendung des Begriffs „Ehegatte“ bzw. „Ehefrau“ ist nach der Lebenserfahrung regelmäßig nicht anzunehmen, dass das Bezugsrecht nur für den Fall eingeräumt sein soll, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch besteht.
Der vorliegende Streitfall gibt dem Bundesgerichtshof keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken. Konkrete Anhaltspunkte, aus denen der Versicherer hätte entnehmen können, dass der Ehemann eine solche auflösend bedingte Einsetzung seiner ersten Ehefrau bei Abgabe der Bezugsrechtsbestimmung gewollt hat, haben die Parteien nicht vorgetragen.
Auch dass es sich bei der Versicherung ursprünglich um eine vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer abgeschlossene Direktversicherung handelt, ändert im Streitfall nichts.
Zwar ist bei einer vom Arbeitgeber zugunsten eines Arbeitnehmers abgeschlossenen Versicherung möglich, dass die Bezugsrechtsbestimmung als eine zugunsten der Hinterbliebenen im Sinne der §§ 46, 48 SGB VI auszulegen ist10. Dies kann im Streitfall jedoch dahinstehen. Denn maßgeblich ist die Bezugsrechtsbestimmung des Ehemannes vom 09.07.1997. Zu diesem Zeitpunkt war der Ehemann der Klägerin nachdem die Versicherung auf ihn übergegangen war in seiner Entscheidung über das Bezugsrecht frei11.
Aus den Schranken, die § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG für den Fall aufstellt, dass der Arbeitgeber den ausscheidenden Arbeitnehmer auf die Versicherungsleistung verwiesen hat, folgt nichts anderes. Danach wird zwar das Recht des Arbeitnehmers eingeschränkt, die Lebensversicherung zu kündigen, zu beleihen oder abzutreten. Hieraus ergibt sich aber nur, dass die Verfügungsmacht des Arbeitnehmers, wenn die Versicherung auf ihn übergeht, in ihrem sachlichen Umfang in bestimmter Hinsicht beschränkt ist12; die Bezugsrechtsbestimmung für den Todesfall wird davon nicht erfasst. Damit bestehen nach Übertragung einer Versicherung auf den Arbeitnehmer keine Einschränkungen, was die Bestimmung des Bezugsberechtigten im Todesfall anbelangt. In dieser Hinsicht ist der Versicherungsnehmer frei.
Die vorherigen Erklärungen des Arbeitgebers über das Bezugsrecht im Todesfall geben keinen Anhaltspunkt, die Bezugsrechtsbestimmung abweichend vom üblichen Verständnis auszulegen. Auch wenn die von der Versicherung vorgedruckte Erklärung für die ersten beiden Varianten den identischen Wortlaut verwendete, wie ihn die Urkunde des Arbeitgebers über die Bezugsberechtigung enthielt, führt dies nicht dazu, dass abweichend vom üblichen Verständnis mit dem „verwitweten Ehegatten“ im Streitfall abstrakt die Frau gemeint ist, mit der der Ehemann zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet sein wird. Für die Auslegung maßgeblich ist die Interessenlage des Versicherungsnehmers bei Abgabe der Bezugsrechtserklärung13. Der Arbeitgeber, der als Versicherungsnehmer eine Direktversicherung im Rahmen des BetrAVG zugunsten eines Arbeitnehmers abschließt, verfolgt damit soziale Zwecke und hat regelmäßig ein Versorgungsinteresse für die Hinterbliebenen des Arbeitnehmers14. In dem Moment, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber ausscheidet und als Versicherungsnehmer anstelle des Arbeitgebers in den Versicherungsvertrag eintritt und frei über die Bezugsberechtigung im Versicherungsfall entscheiden kann, stellt dieses Versorgungsinteresse des Arbeitgebers jedoch keinen für die Auslegung der neuen Bezugsrechtserklärung des Arbeitnehmers ausschlaggebenden Umstand mehr dar. Dass im Streitfall der Arbeitgeber mit dem Ehemann weitere Einschränkungen vereinbart hätte und diese der Beklagten erkennbar waren, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es kommt hinzu, dass im Streitfall anders als in der BGH-Entscheidung vom 29.01.1981 die Erklärungen des Arbeitgebers zum Bezugsrecht lediglich das Valutaverhältnis betreffen. Für die Frage, wer gegenüber dem Versicherer bezugsberechtigt ist, ist jedoch allein das Deckungsverhältnis entscheidend15.
Die Bezugsrechtserklärung des Versicherungsnehmers ist auch keine Wiederholung der früheren internen Erklärung des Arbeitgebers. Während der Arbeitgeber die Bezugsberechtigung im Todesfall für das Valutaverhältnis in den von ihm vorgegebenen Bedingungen in einer festen Reihenfolge regelte, enthielt die vorgedruckte Erklärung der Beklagten, die sich ausschließlich auf das Deckungsverhältnis bezog, verschiedene Varianten, unter denen der Ehemann frei wählen konnte. Eine bestimmte Reihenfolge sah diese Bezugsrechtserklärung gerade nicht vor. Insbesondere fehlte es an einer Bestimmung, dass nach dem Ehegatten die ehelichen Kinder und danach die Erben des Ehemannes bezugsberechtigt sein sollten. Als der Ehemann als neuer Versicherungsnehmer sein Bestimmungsrecht ausübte, gab es keine Einschränkungen im Hinblick auf mögliche Bezugsberechtigte, und zwar ebenso wenig von Seiten des Arbeitgebers wie von Seiten der Versicherung.
Auch weitere Vorgänge aus der Zeit der Ehescheidung und danach sind für die Frage des Bezugsrechts unerheblich.
Eine Änderung des Bezugsrechts setzt nach § 13 Abs. 4 ALB 1986 voraus, dass sie dem Versicherer schriftlich angezeigt wird. Daran fehlt es unstreitig. Der Ehemann der Klägerin hat der Beklagten zu keinem Zeitpunkt Änderungen seines Familienstandes mitgeteilt, insbesondere weder die Scheidung der ersten Ehe noch die Heirat mit der Klägerin. Die bloße über einen Versicherungsvertreter erfolgte Nachfrage, wer bezugsberechtigt ist, erfüllt schon ihrer Art nach nicht die Voraussetzungen an eine Änderung des Bezugsrechts. Denn hierfür wäre eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung erforderlich. Eine bloße Nachfrage nach dem konkreten Vertragsinhalt enthält jedoch keine Willenserklärung. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Beklagte die Anfrage zudem nach dem unstreitigen Sachverhalt richtig beantwortet hat.
Erst recht kommt es nicht auf den Inhalt des von der Klägerin behaupteten Telefonats zwischen dem Ehemann und einer Mitarbeiterin der Beklagten an. Denn auch darin liegt keine Änderung des Bezugsrechts. Ansprüche wegen falscher Auskunft sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Soweit auf die Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen den ehemaligen Ehegatten abgestellt wird, kann dieser lediglich für das – hier nicht streitgegenständliche – Valutaverhältnis Bedeutung zukommen16.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Juli 2015 – IV ZR 437/14
- Bestätigung BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 01.04.1987 IVa ZR 26/86, VersR 1987, 659 unter 1; vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784 Rn. 10[↩]
- BGH, Beschluss vom 17.09.1975 – IV ZA 8/75, VersR 1975, 1020; BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784 Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2014 – IV ZR 243/12, VersR 2013, 1121 Rn. 14; OLG Frankfurt am Main VersR 1996, 358, 359; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 185, Rn. 17[↩]
- BGH, Beschluss vom 17.09.1975 – IV ZA 8/75, VersR 1975, 1020; BGH, Urteile vom 29.01.1981 IVa ZR 80/80, BGHZ 79, 295, 298; vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784 Rn. 12[↩]
- ebenso bereits BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784 Rn. 12 für die Verknüpfung des Begriffs „Ehegatte“ mit dem Begriff „Todesfall“[↩]
- BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784 Rn. 12[↩]
- BGH, Urteil vom 14.02.2007 aaO[↩]
- BGH, Beschluss vom 17.09.1975 – IV ZA 8/75, VersR 1975, 1020; BGH, Urteile vom 29.01.1981 IVa ZR 80/80, BGHZ 79, 295, 298; vom 01.04.1987 IVa ZR 26/86, VersR 1987, 659 unter 1; vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05, VersR 2007, 784 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.01.1981 IVa ZR 80/80, BGHZ 79, 295, 299; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 6. Aufl. § 1 Rn. 27 und Anh. zu § 1 Rn.198[↩]
- vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 6. Aufl. Anh. zu § 1 Rn. 783[↩]
- Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 6. Aufl. § 2 Rn. 268, 287; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG 6. Aufl. § 2 Rn. 164[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.01.1981 IVa ZR 80/80, BGHZ 79, 295, 299 f.[↩]
- Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 6. Aufl. § 1 Rn. 12 ff., 27[↩]
- BGH, Urteil vom 26.06.2013 – IV ZR 243/12, VersR 2013, 1121 Rn. 10; Schneider in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 159 Rn. 26[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2013 – IV ZR 243/12, VersR 2013, 1121 Rn. 10[↩]