Der Carport in der Wohngebäudeversicherung

Die Errichtung eines Carports stellt nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe in der Wohngebäudeversicherung keine Gefahrerhöhung dar.

Keine Gefahrerhöhung

Durch die Vorschriften über die Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG) soll das Gleichgewicht zwischen dem vom Versicherer übernommenen Risiko und der vereinbarten Prämie erhalten werden; der Versicherer soll nicht gezwungen sein, am Versicherungsvertrag festzuhalten, obwohl das Verhältnis zwischen Prämie und Risiko nicht mehr der Risikolage entspricht, die er bei Abschluss des Versicherungsvertrags voraussetzen durfte. Dabei ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise geboten. Es kommt nicht darauf an, ob einzelne neue Gefahrenquellen entstanden sind, sondern darauf, ob sich die Risikolage insgesamt gesehen erhöht hat1. Für die Frage der Leistungsfreiheit nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG ist deshalb die Gefahrenlage bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit derjenigen zu vergleichen, die nach einer Veränderung der für die versicherte Gefahr maßgeblichen Umstände eingetreten ist, wobei die jeweilige Gefahrenlage aufgrund einer Gesamtabwägung aller gefahrrelevanten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen ist. Entscheidend dafür, ob ein Umstand als gefahrerhöhend zu werten ist, ist die Möglichkeit seiner Auswirkung auf das konkret von der Versicherung übernommene Risiko. Als gefahrerhöhende Umstände im Sinne der genannten Vorschriften kommen nur solche in Betracht, die zum einen erheblich sind (vgl. § 29 S. 1 VVG a.F.), zum anderen den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher machen2. Allgemein übliche, das Durchschnittsrisiko kennzeichnende Gefahränderungen sowie solche, deren Qualifikation als Gefahrerhöhung den Versicherungsschutz eines großen Teils der Versicherungsnehmer erheblich entwerten würden, fallen nicht unter die §§ 23 ff VVG a.F.3.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die baurechtlich genehmigte Errichtung eines Carports in Holzbauweise für das bereits zuvor errichtete Wohngebäude nicht gefahrerhöhend. Dass in direkten Kontakt zur Außenwand eines Wohngebäudes Holzkonstruktionen angesetzt werden, entspricht durchaus der üblichen Nutzung von Wohngrundstücken. Nicht selten sind geschützte Unterstände für Kaminholz, Verschläge für Mülleimer, Stallungen für Tiere. An Außenwände werden Gerätehäuser angelehnt; daneben werden Fahrzeuge geparkt oder Grillfeuer entzündet. Von einem angebauten Carport geht gegenüber diesen ebenfalls üblichen Nutzungen keine größere Gefahr aus. Zudem sieht der Vertrag selbst ähnliche Umgestaltungen vor. So sind nachträgliche Umbauten und Anbauten zumindest bis zu einem bestimmten Aufwand in den Versicherungsschutz eingeschlossen. Ein angebauter Wintergarten unterscheidet sich in der Gefährlichkeit nicht wesentlich von einem Carport. Die vertraglich vorausgesetzte Gefahr hat sich mithin durch den Anbau des Carports nicht erhöht.

Keine Anzeigepflicht

Ausgehend hiervon war der Versicherungsnehmer auch nicht verpflichtet, die Errichtung des Carports dem Versicherungsunternehmen anzuzeigen, § 10 Nr. 3. a VGB (88). Eine anzuzeigende Gefahrerhöhung kann vorliegen, wenn sich ein Umstand geändert hat, nach dem im Antrag gefragt worden ist. Voraussetzung der Anzeigepflicht ist aber nach § 10 Nr. 2 und 3 VGB (88) eine Gefahrerhöhung, an der es – wie ausgeführt – in Bezug auf die Errichtung des Carports fehlt.

Mitversicherung des Carports

Der Carport ist in der Wohngebäudeversicherung auch mitversichert.

Zwar wurde in dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall vom Kläger im Antragsformular nur das Einfamilienhaus als zu versicherndes Objekt angekreuzt und die Rubrik Garage/Carport offen gelassen. Der Versicherungsnehmer musste daher davon ausgehen, dass das Versicherungsunternehmen ihm nach § 1 Abs. 1 VGB (88) lediglich Versicherungsschutz für das im Versicherungsvertrag bezeichnete Wohngebäude sowie die in 1.2 der Deckungserweiterung bezeichneten Grundstücksbestandteile und Zubehör zugesagt hat. Hierzu zählt der Carport nicht. Gleichwohl ergibt sich der Versicherungsschutz für den Carport den vereinbarten Bedingungen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm dies hinreichend verdeutlicht wird4.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der sich bei nachträglicher Errichtung eines Carports über seinen Versicherungsschutz unterrichten möchte, wird bei aufmerksamer Durchsicht der Versicherungsbedingungen erkennen, dass An-, Um-, Aus- oder Neubauten über eine Vorsorgeversicherung in den Versicherungsschutz einbezogen sind, wenn sie sich in dem in Ziffer 1.5 abgesteckten Kostenrahmen von 3000,00 MK (entsprechend heute ca. 30.000 €) halten. Sinn dieser Erweiterung des Versicherungsschutzes ist es, dass der Versicherungsnehmer nicht jede auch noch so geringe Veränderung an dem versicherten Objekt anzeigen muss, sondern davon ausgehen kann, dass Veränderungen, auch solche in Form eines Anbaus oder Neubaus auf dem Wohngrundstück vom Versicherungsschutz einschlossen sind, wenn der Anbau oder Neubau sich kostenmäßig in dem angegebenen Rahmen bewegt. Durch die Begrenzung der Kosten ist auch das Interesse des Versicherers gewahrt, dass von einer Erweiterung des Deckungsschutzes nur Maßnahmen von geringerem Umfang erfasst sein sollen. Dass ein neu gebauter Carport nicht unter „Neubauten“ fallen soll, erschließt sich einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer selbst bei sorgfältigster Lektüre der Bedingungen nicht.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2009 – 12 U 6/09

  1. BGH, VersR 1990, 881[]
  2. OLG Karlsruhe, VersR 1998, 625[]
  3. ÖOGH, VersR 1990, 1415; Prölss/Martin, VVG., 27. Aufl., § 23 Rdn. 7[]
  4. BGHZ 84, 268; BGH VersR 2003, 454; Senat VersR 2007, 1551[]