Kündigung der Mitversicherung des volljährigen Sohns in der Krankenversicherung

Die Wirksamkeit der Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer für einen nicht vom Versicherungsnehmer gesetzlich vertretenen volljährigen Mitversicherten gemäß § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG setzt nicht den Nachweis eines ununterbrochenen Krankenversicherungsschutzes für den Mitversicherten voraus.

Gemäß § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG kann der Versicherungsnehmer abweichend von den Absätzen 1 bis 5 eine Versicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. Nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung zu den dort genannten Bedingungen abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass der Versicherte über einen nahtlos angrenzenden Versicherungsschutz verfügt, wenn er seinen bisherigen Vertrag kündigt1.

Die Frage, ob bei der Kündigung des für einen volljährigen Mitversicherten bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrages gemäß § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG der Nachweis einer Anschlussversicherung seitens des Versicherungsnehmers erforderlich ist oder nicht, wird unterschiedlich beurteilt.

Rechtsprechung und Schrifttum gehen überwiegend davon aus, dass die Nachweispflicht in diesen Fällen nicht bestehe, da die Versicherungspflicht sich gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG ausdrücklich auf den Versicherungsnehmer selbst sowie auf gesetzlich von diesem vertretene Personen beschränke2. Die Gegenauffassung nimmt an, dass auch die volljährige mitversicherte Person unter § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG falle und daher der Nachweis eines Anschlussversicherungsschutzes erbracht werden müsse3.)).

Die erstgenannte Ansicht trifft jedenfalls im Ergebnis zu. Der Versicherungsnehmer muss im Falle der Kündigung einer Krankheitskostenversicherung für einen von ihm gesetzlich nicht vertretenen volljährigen Mitversicherten nicht den Nachweis eines nahtlosen Krankenversicherungsschutzes für diesen führen.

Die Entbehrlichkeit des Nachweises lässt sich allerdings nicht damit begründen, dass den volljährigen Mitversicherten keine Versicherungspflicht gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG treffe. Diese Vorschrift verwendet nicht den Begriff des Versicherungsnehmers, sondern verpflichtet jede Person mit Wohnsitz im Inland für sich und die von ihr gesetzlich vertretenen Personen einen Krankenversicherungsschutz zu unterhalten. Insoweit ist anerkannt, dass dieser Versicherungspflicht auch durch eine Mitversicherung eines volljährigen Versicherungspflichtigen Genüge getan werden kann4.

Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Versicherungsnehmer an der Kündigung eines Versicherungsvertrages für einen volljährigen Mitversicherten gehindert wäre. Durch § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG soll für den Versicherten ein nahtlos angrenzender Versicherungsschutz ermöglicht werden. Dieses Ziel wird durch § 207 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 VVG erreicht. Hiernach ist die versicherte Person, wenn der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzelne versicherte Personen kündigt, berechtigt, binnen zwei Monaten die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses im eigenen Namen zu erklären. Um dieses Fortsetzungsrecht zu gewährleisten, bestimmt § 207 Abs. 2 Satz 2 VVG, dass die Kündigung nur wirksam wird, wenn die versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat. Der volljährige Mitversicherte ist daher – was im Streitfall nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts geschehen ist – von der Kündigung durch den Versicherungsnehmer zu unterrichten. Er selber hat sodann das Recht, die Fortsetzung des Vertrages im eigenen Namen zu verlangen. Entgegen der Auffassung der Revision steht der volljährige Mitversicherte also keineswegs ohne jeden Krankenversicherungsschutz da. Vielmehr liegt es in seiner Hand die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu erklären. Hiermit genügt er zugleich seiner ihn treffenden Verpflichtung aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG. Auch wenn diese Versicherungspflicht durch eine Mitversicherung erfüllt werden kann, ändert dies nichts daran, dass die Versicherungspflicht den volljährigen Mitversicherten selbst trifft und nicht etwa den Versicherungsnehmer. Der volljährige Mitversicherte ist insoweit die von § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG angesprochene Person mit Wohnsitz im Inland5.

Bei einem anderen Verständnis von § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG hätte § 207 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG keinen eigenen Anwendungsbereich für den volljährigen Mitversicherten mehr. Wäre die Kündigung des Versicherungsnehmers gemäß § 205 Abs. 6 VVG erst dann wirksam, wenn er für die versicherte Person den Nachweis eines ununterbrochenen Versicherungsschutzes erbringt, käme es auf das in § 207 Abs. 2 VVG statuierte Eintrittsrecht des Versicherten und das Erfordernis seiner Kenntnis von der Kündigung des Versicherungsnehmers nicht an.

Gegen das Erfordernis des Nachweises eines ununterbrochenen Krankenversicherungsschutzes als Voraussetzung der Kündigung des Versicherungsnehmers für einen volljährigen Mitversicherten spricht ferner, dass der Versicherungsnehmer selbst nicht in der Lage ist, ohne Vollmacht des volljährigen Mitversicherten für diesen eine Anschlussversicherung i.S. des § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG abzuschließen. Das Gesetz darf dem Versicherungsnehmer im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine Verhaltenspflichten auferlegen, die er selbst alleine nicht erbringen kann und die für ihn ohne Mitwirkung eines Dritten rechtlich unmöglich sind. Anderenfalls wäre die Grenze der Zumutbarkeit überschritten6. So wäre es hier.

Eine gesetzliche Vertretung, wie sie hierzu in § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erwähnt wird, besteht in derartigen Fällen nicht. Soweit die Revi- sion demgegenüber darauf verweist, der Versicherungsnehmer schließe keinen Krankenversicherungsvertrag im Namen des Mitversicherten, so dass es keiner gesetzlichen oder vertraglichen Vertretungsmacht bedürfe, trifft es zwar zu, dass es sich bei der Mitversicherung in einem

Krankheitskostenversicherungsvertrag um eine Versicherung für fremde Rechnung und damit einen echten Vertrag zugunsten Dritter i.S. von § 328 Abs. 1 BGB handelt7. Hier geht es aber nicht darum, dass der Versicherungsnehmer, um einer Verpflichtung nach § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG Genüge tun zu können, gehalten wäre, erneut einen Versicherungsvertrag als Versicherungsnehmer im eigenen Namen abzuschließen und den volljährigen Dritten in diesen als Versicherten aufzunehmen. Eine versicherungsvertragliche Pflicht zum Abschluss eines derartigen Vertrages im eigenen Namen besteht nicht. Der versicherte volljährige Dritte ist vielmehr gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG selbst versicherungspflichtig und damit grundsätzlich verpflichtet, einen Versicherungsvertrag im eigenen Namen abzuschließen und zu unterhalten. Auch wenn er seiner Versicherungspflicht dadurch entsprechen kann, dass er bei einem Versicherungsnehmer mitversichert ist, ändert dies nichts daran, dass die Versicherungspflicht ihn selbst trifft.

Anders als die Revision meint, ist der Versicherungsnehmer in Fällen, in denen der volljährige Mitversicherte den Abschluss einer eigenen Versicherung entgegen der ihn treffenden gesetzlichen Verpflichtung verweigert, durch die Möglichkeit, diesen klageweise auf Abschluss einer solchen Versicherung in Anspruch zu nehmen und von ihm die bis dahin erbrachten Beitragsleistungen zurückzufordern, nicht ausreichend schützt. Das Kündigungsrecht – und damit die Vertragsfreiheit – des Versicherungsnehmers würde unzumutbar ausgehöhlt, wenn man ihm das Risiko eines Klageerfolgs und einer etwaigen Leistungsunfähigkeit des Mitversicherten überbürdete, obwohl das Ziel der gesetzlichen Regelung, dem Mitversicherten einen nahtlos angrenzenden Versicherungsschutz

zu ermöglichen – wie oben dargelegt , bereits durch das für ihn in § 207 VVG vorgesehene Fortsetzungsrecht ausreichend sichergestellt ist.

Entgegen der Ansicht der Revision ist es unerheblich, ob der Kläger unterhaltsrechtlich verpflichtet ist, die Prämien für eine Krankheitskostenversicherung zu übernehmen. Im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer kommt es auf dieses familienrechtliche Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem nicht an. Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer ist nicht davon abhängig, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer im Innenverhältnis unterhaltsrechtlich gegenüber dem Versicherten verpflichtet ist, die Kosten für die Krankenversicherung zu übernehmen. Der volljährige versicherte Dritte ist versicherungsvertragsrechtlich selbst gehalten, seiner Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG zu entsprechen. Eine andere Frage ist, ob der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, ihm die hierfür entstandenen Kosten zu erstatten.

Die Gefahr, dass im Falle der Zulassung einer Kündigung des Versicherungsnehmers für den Mitversicherten auch ohne Nachweis der Anschlussversicherung der bisher versicherte volljährige Dritte seiner Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht genügt, ist kein spezifisches Risiko, das sich lediglich in derartigen Fällen stellt. Vielmehr besteht auch sonst die Gefahr, dass versicherungspflichtige Personen entgegen § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG keinen Versicherungsvertrag abschließen. Um dem entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber unter anderem die Verpflichtung zur Zahlung des Prämienzuschlags in § 193 Abs. 4 VVG eingeführt. Jedenfalls kann dem Risiko, dass der volljährige Versicherte im Falle der Kündigung des Vertrages durch den Versicherungsnehmer selbst keinen neuen Versicherungsvertrag abschließt, nicht dadurch begegnet werden, dass dem Versicherungsnehmer faktisch die Kündigung eines derartigen Vertrages unmöglich gemacht wird. Dies würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Vertragsfreiheit des Versicherungsnehmers bedeuten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Dezember 2013 – IV ZR 140/13

  1. vgl. BT-Drs.-. 16/4247 S. 68; ferner BGH, Urteil vom 12.09.2012 – IV ZR 258/11, VersR 2012, 1375 Rn. 21; MünchKomm-VVG/Hütt, § 205 Rn. 58; HKVVG/Rogler, 2. Aufl. § 205 Rn. 31[]
  2. LG Stuttgart r+s 2013, 84 zur Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages, in dem die volljährige Tochter des Versicherungsnehmers mitversichert wurde; LG Hagen ZfS 2011, 40 für den Fall der Mitversicherung des geschiedenen Ehegatten; AG Düsseldorf VersR 2013, 572 zur Mitversicherung eines minderjährigen leiblichen Kindes ohne Bestehen einer gesetzlichen Vertretung; Langheid in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 205 Rn. 18; Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 205 Rn. 22; Rößler, VersR 2013, 1478, 1481 f.[]
  3. Rogler, jurisPRVersR 3/2011 Anm. 3; ders. in HKVVG aaO Rn. 31; weitere Nachweise bei Rößler, VersR 2013, 1478, 1479[]
  4. Voit in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 193 Rn. 9; § 205 Rn. 43; Rogler, jurisPRVersR 3/2011 Anm. 3[]
  5. vgl. LG Stuttgart r+s 2013, 84; LG Hagen ZfS 2011, 40[]
  6. vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz 12. Aufl. Art.20 Rn. 86; Dreier/SchulzeFielitz, Grundgesetz 2. Aufl. Art.20 Rn. 184[]
  7. BGH, Urteil vom 08.02.2006 – IV ZR 205/04, VersR 2006, 686 Rn. 25[]