Kündigung und Widerruf eines Versicherungsvertrages

Die Kündigung eines Versicherungsvertrages steht einem später erfolgten Widerruf desselben Versicherungsvertrages jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Versicherungsnehmer über sein Widerrufsrecht zuvor nicht ausreichend belehrt wurde.

Denn das Widerrufsrecht (hier: gemäß § 8 Abs. 4 VVG a.F.) erlischt bei analoger Anwendung der Regelungen in §§ 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erst nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung.

Die zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages schließt den späteren Widerruf nicht aus.

Zwar vertreten Teile der Rechtsprechung und des versicherungsrechtlichen Schrifttums die Auffassung, dass die Kündigung eines Vertrages einem späteren Widerruf generell entgegenstehe1. Dies ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aber jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall abzulehnen, in dem der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte.

Bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht ist, so der Bundesgerichtshof in der Begründung seines Urteils, nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer bereits zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12

  1. so: OLG Karlsruhe r+s 2013, 483; OLG Celle, Urteil vom 02.02.2012 8 U 125/11, juris Rn. 45; OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2011 – 20 U 81/11; OLG Koblenz, Beschluss vom 06.06.2011- 10 U 162/11; OLG Stuttgart, VersR 2011, 786 Rn. 4; LG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2011 – 9 S 266/11; LG Köln, Urteil vom 18.08.2010 – 26 S 39/09; a.A.: LG Aachen, Urteil vom 11.02.2011 – 9 O 231/10[]