Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung

In § 8b Abs. 1 der Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 2009) in Verbindung mit den Tarifbedingungen des jeweiligen Versicherers ist eine wirksame Grundlage für Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung enthalten. Dies betrifft Beitragserhöhungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von 5 % ergeben hat, der gesetzliche Schwellenwert von 10 % aber nicht überschritten wird.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wendet sich der Versicherungsnehmer gegen mehrere Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher unter anderem auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Köln hat die Klage abgewiesen1. Das Oberlandesgericht Köln hat dies auf die Berufung des Versicherungsnehmers zum Teil abgeändert und die Versicherungsgesellschaft unter anderem zur teilweisen Rückzahlung der Prämienanteile verurteilt2 und dabei angenommen, dass mehrere Prämienerhöhungen wegen einer unzureichenden Begründung in den Mitteilungsschreiben zunächst nicht wirksam geworden seien. Weitere Prämienanpassungen hat es dagegen für endgültig unwirksam gehalten, da die Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 MB/KK unwirksam sei. Auf die Revision der Versicherungsgesellschaft hat der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Prämienanpassungen, die das Oberlandesgericht Köln für materiell unwirksam gehalten hat, das Berufungsurteil nicht bestätigt. Für diese Erhöhungen bestehe, so der Bundesgerichtshof, eine wirksame Prämienanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers:

Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam. Diese Regelung weicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG ab. Während nach der gesetzlichen Vorschrift eine Prämienanpassung zwingend voraussetzt, dass die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage nicht nur als vorübergehend anzusehen ist, sieht § 8b Abs. 2 MB/KK vor, dass der Versicherer bei einer nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung von der Prämienanpassung absehen „kann“, d.h. auch in diesem Fall ist sie nicht ausgeschlossen.

Die Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 MB/KK hat aber nicht zur Folge, dass auch § 8b Abs. 1 MB/KK unwirksam und die darauf bezugnehmende Regelung in den Tarifbedingungen des Versicherers nicht mehr anwendbar wäre. § 8b Abs. 1 MB/KK weicht nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab. Die Klausel enthält dieselben Voraussetzungen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt eine Prämienanpassung insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist. Mit der Regelung des § 8b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen macht der Versicherer allein von der ihm in § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von 10 % auf 5 % abzusenken.

Der Bestand der Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK wird auch durch die Streichung von § 8b Abs. 2 MB/KK nicht beeinträchtigt, da der Sinn der verbleibenden Regelung weiterhin aus sich heraus verständlich ist.

Die Revision der Versicherungsgesellschaft hatte damit zum Teil Erfolg und führte zu einer teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils. Hinsichtlich mehrerer Nebenforderungen ist vom Bundesgerichtshof das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt worden. Soweit das Oberlandesgericht Köln zu Unrecht von einer materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassungen ausgegangen ist und deren formelle Wirksamkeit noch nicht geprüft hat, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen, damit es diese Prüfung nachholen kann.

 

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Juni 2022 – IV ZR 253/20

  1. LG Köln, Urteil vom 18.09.2019 – 23 O 392/18[]
  2. OLG Köln. Urteil vom 22.09.2020 – 9 U 237/19[]