Anfechtbare Änderung der Bezugsberechtigung bei der Lebensversicherung

Die widerrufliche Bezeichnung eines Dritten als Bezugsberechtigten aus einer Lebensversicherung benachteiligt die Gläubiger des Versicherungsnehmers auch dann, wenn eine zunächst unwiderrufliche Bezeichnung mit Zustimmung des Bezugsberechtigten in eine widerrufliche Bezeichnung geändert wird und später der Versicherungsfall eintritt.

Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 4 Abs. 1 AnfG setzt wie jeder andere Anfechtungstatbestand des Anfechtungsgesetzes voraus, dass die Gläubiger des Schuldners durch die angefochtene Rechtshandlung benachteiligt werden (§ 1 Abs. 1 AnfG). Bei der Bezeichnung eines Bezugsberechtigten aus einer Lebensversicherung ist insofern zwischen der unwiderruflichen und der widerruflichen Bezeichnung zu unterscheiden.

Bei einer unwiderruflichen Bezeichnung erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung sofort1. Der Anspruch scheidet aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers aus und steht dem Zugriff seiner Gläubiger nicht mehr zur Verfügung. Diese gläubigerbenachteiligende Wirkung der Einräumung des Bezugsrechts unterliegt, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen, der Anfechtung. Entfällt die Bezugsberechtigung, sei es rückwirkend durch Zurückweisung des erworbenen Rechts nach § 333 BGB oder mit Wirkung für die Zukunft durch eine Aufhebung des Bezugsrechts mit Zustimmung des Berechtigten, so entfällt auch die Gläubigerbenachteiligung und damit die Anfechtbarkeit.

Bei einer widerruflichen Bezeichnung des Bezugsberechtigten erlangt der Bezeichnete zunächst weder einen Rechtsanspruch noch eine sonstige gesicherte Rechtsposition, sondern nur eine tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs. Erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt der als Bezugsberechtigter Bezeichnete den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag2, erst jetzt tritt also die gläubigerbenachteiligende Wirkung seiner Bezeichnung ein. Auf diesen Zeitpunkt ist deshalb auch für die Beurteilung der Anfechtbarkeit abzustellen (§ 8 Abs. 1 AnfG)3.

Wird, wie im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall, eine unwiderrufliche Bezeichnung des Bezugsberechtigten mit dessen Zustimmung in eine widerrufliche Bezeichnung geändert, liegt darin die Aufhebung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung und die Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts. Die nach § 4 Abs. 1 AnfG anfechtbare Leistung des Schuldners folgt aus der Einräumung des widerruflichen Bezugsrechts. Sie liegt in der Zuwendung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag, die sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalls – hier mit dem Erreichen des im Versicherungsvertrag vereinbarten Ablaufdatums – vollzieht. Diese auf die Einräumung des widerruflichen Bezugsrechts zurückzuführende Zuwendung benachteiligt die Gläubiger des Schuldners. Ein Anfechtungsrecht kann deshalb nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht mit der Begründung verneint werden, es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung.

Die Ansicht, die Umwandlung des Bezugsrechts habe nicht dazu geführt, dass ein Vermögensgegenstand aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden sei, sondern dazu, dass der Schuldner einen Vermögensgegenstand hinzugewonnen habe, lässt außer Acht, dass die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag den Gläubigern des Schuldners nach der Umwandlung des Vertrages bis zum Eintritt des Versicherungsfalls als Haftungsmasse zur Verfügung standen. Diese wurde dann, worauf es nach § 8 Abs. 1 AnfG allein ankommt, mit Fälligkeit der Ablaufleistung erneut verkürzt.

Gegenstand der Insolvenz- oder Gläubigeranfechtung ist nicht die Rechtshandlung selbst, sondern deren gläubigerbenachteiligende Wirkung. Im Streitfall ist dies die Zuwendung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag an die Beklagten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls. Wie sich die Haftungslage zu einem früheren Zeitpunkt einmal dargestellt hat, ist rechtlich unerheblich.

Mehrere Rechtshandlungen des Schuldners sind auch dann anfechtungsrechtlich selbstständig zu betrachten, wenn sie gleichzeitig vorgenommen worden sind oder sich wirtschaftlich ergänzen. Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung ist deshalb isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Dabei sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Eine Vorteilsausgleichung findet grundsätzlich nicht statt4. Anfechtbar können sogar einzelne, abtrennbare Wirkungen einer einheitlichen Rechtshandlung sein; deren Rückgewähr darf nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass die Handlung auch sonstige, für sich nicht anfechtbare Rechtsfolgen ausgelöst habe, mögen diese auch die Masse erhöht haben. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere von einer Rechtshandlung verursachte Wirkungen nur insgesamt oder gar nicht anfechtbar seien, gibt es nicht5.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 20086, das die Anwendung dieser Grundsätze im Bereich der Gläubigeranfechtung einschränkte7, betraf einen Sonderfall, in dem die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger zu keinem Zeitpunkt verschlechtert worden waren. Für den Streitfall lässt sich daraus nichts herleiten. Hier kommt es darauf an, ob die gläubigerbenachteiligende Wirkung einer Zuwendung auch dann ausgeschlossen ist, wenn der zugewendete Gegenstand, der bereits aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden war, zunächst in das Schuldnervermögen zurückgeführt wurde. Diese Frage ist eindeutig zu verneinen. Insofern bleibt es bei dem Grundsatz, dass mehrere Rechtshandlungen des Schuldners anfechtungsrechtlich selbständig zu betrachten sind.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Januar 2012 – IX ZR 99/11

  1. BGH, Urteil vom 18.06.2003 – IV ZR 59/02, NJW 2003, 2679; § 159 Abs. 3 VVG nF[]
  2. § 159 Abs. 2 VVG nF, § 166 Abs. 2 VVG aF[]
  3. BGH, Urteil vom 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 356 f zu § 140 InsO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27.04.2010 – IX ZR 245/09, ZIP 2010, 1964 Rn. 3[]
  4. BGH, Urteil vom 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 18 mwN; vom 09.07.2009 – IX ZR 86/08, WM 2009, 1750 Rn. 27 f[]
  5. BGH, Urteil vom 05.04.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233, 236; vom 09.07.2009, aaO Rn. 32[]
  6. BGH, Urteil vom 23.10.2008 – IX ZR 202/07, WM 2008, 2267[]
  7. aaO Rn. 21 ff[]