Eine Vertragsstrafenklausel in einem Kfz-Versicherungsvertrag, wonach bei unterlassener Mitteilung eines Merkmals zur Beitragsberechnung (hier: Jahreskilometerleistung) der Versicherungsnehmer zur Zahlung einer zusätzlichen Jahresprämie verpflichtet wird, ist gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn der Versicherer nicht gleichzeitig auf seine gesetzlichen Rechte wegen Gefahrerhöhung verzichtet.
Dabei kann nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttghart dahinstehen, ob die Klausel zur Nacherhebung und Neuberechnung von Prämien bei unrichtigen oder unterlassenen Angaben gem. Nr. 6 Abs. 2b S. 1 TB-KR wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (= § 9 AGBG) unwirksam ist, § 306 Abs. 1 BGB.
Nach Nr. 6 Abs. 2b TB-KR kann die Klägerin als Versichererin ab Beginn der Versicherungsperiode, in der der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht gem. Nr. 6 Abs. 2a TB-KR „schuldhaft“ verletzt hat, den Beitrag neu berechnen und den Differenzbetrag nacherheben.
Die Vertragsstrafen-Klausel in Nr. 6 Abs. 2b S. 2 TB-KR benachteiligt einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weshalb die Klausel unwirksam ist, § 306 Abs. 1 BGB.
Prämienanpassungsklauseln bei unterlassenen Angaben bezüglich der tatsächlichen Merkmale zur Beitragsberechnung sind im Grundsatz bei schuldhaften Verstößen zulässig. Dasselbe gilt für Vertragsstrafen, jedenfalls bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Anzeigepflicht (vgl. K 4.3 und K 4.4 der AKB 2008)1.
Bei vorsätzlichen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen seine Anzeigepflicht ist der Versicherer berechtigt, zusätzlich zur Beitragsanpassung nach beispielsweise K 4.3 AKB 2008 eine Vertragsstrafe geltend zu machen, deren Höhe zwischen den Versicherern variiert. Es handelt sich in solchen Fällen um eine Vertragsstrafenregelung im Sinne der §§ 339 ff. BGB und nicht um eine sog. Schadenspauschalierung, da die Vereinbarung in erster Linie die Einhaltung der vereinbarten Merkmale zur Beitragsberechnung sichern und auf den Versicherungsnehmer einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, diese richtig anzugeben und die Vereinbarungen auch während der Laufzeit zu beachten. Eine solche Vertragsstrafe ist grundsätzlich zulässig2.
Ein zusätzlicher Rückgriff. auf die gesetzlichen Institute der vorvertraglichen Anzeigepflicht (§§ 19 ff. VVG n.F.) und der Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG n.F. bzw. §§ 16 ff. VVG a.F.) wäre nicht sachgerecht. Bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht und der Gefahrerhöhung würde den Versicherungsnehmer die harte Strafe der vollständigen Leistungsfreiheit drohen (§§ 19 Abs. 2, 21 Abs. 2 VVG und § 26 VVG). Dies war von den Versicherer mit den Klauseln nicht gewollt und würde dem besonderen Charakter der Tarifmerkmale auch nicht gerecht, da die Einhaltbarkeit der bei der Beitragsberechnung berücksichtigten Umstände für den Versicherungsnehmer selbst schwer abschätzbar ist (z.B. die tatsächliche jährliche Fahrleistung) und diese zudem auch häufigen Veränderungen unterliegen (z.B. Erweiterung des Fahrerkreises).
Umstritten ist, ob und mit welcher Begründung die Vertragsstrafe neben den Regelungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht und Gefahrerhöhung zuzulassen ist. Diese gesetzlichen Obliegenheitsregelungen sind nach § 32 VVG (= § 34 a VVG a.F.) halbzwingend. Eine Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers ist deshalb unzulässig.
Nach einer hierzu vertretenen Auffassung weicht die Vertragsstrafenregelung als „lex specialis“ so deutlich vom Obliegenheitenrecht ab, dass eine Anwendung der §§ 19 und 23 VVG n.F. schon von vornherein ausscheidet3. Für diese Auffassung spricht ein Vergleich mit der Regelung zu den Falschangaben beim Verwendungszweck nach D 1.1 AKB 2008, die einen Unterfall der Gefahrerhöhung darstellt und für deren Anwendbarkeit verlangt wird, dass mit einem Verstoß gegen die Verwendungsklausel zugleich eine Gefahrerhöhung einhergeht.
Eine solche Gefahrerhöhung ist jedoch gerade nicht typisches Merkmal eines Tarifmerkmals.
Eine zweite Auffassung sieht die Vertragsstrafenregelung als für den Versicherungsnehmer vorteilhafte Abweichung von den gesetzlichen Instituten an4. Bei der Prüfung der Vorteilhaftigkeit der Regelung ist eine generelle und nicht einzelfallbezogene Abwägung zu treffen, da für Versicherungsbedingungen der Grundsatz der objektiven Auslegung gilt5. Zu beachten ist hierbei, dass die Tarifmerkmale primär dazu dienen, die Äquivalenz zwischen versichertem Risiko und Versicherungsbeitrag innerhalb der Versicherungsgemeinschaft herzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt der Versicherer ein Druckmittel, das insgesamt – also ohne Berücksichtigung des Einzelfalls – geeignet ist, den Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss und bei späteren Änderungen zu wahrheitsgemäßen Angaben zu bewegen, ohne ihn dabei jedoch unangemessen zu benachteiligen.
Eine Einzelfallbetrachtung kann dieser Anforderung nicht gerecht werden. Die der Höhe nach zwingend gedeckelte Vertragsstrafe muss in einer Gesamtbetrachtung für den Versicherungsnehmer günstiger als eine drohende unbegrenzte Leistungsfreiheit bei den gesetzlichen Instituten der Gefahrerhöhung und Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht sein.
Die Vertragsstrafe darf auch nicht unverhältnismäßig hoch sein, § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Ist eine vereinbarte Vertragsstrafe zudem unverhältnismäßig hoch, ist die Vereinbarung ebenfalls gem. § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Aber auch im Falle der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel kommt eine Herabsetzung der vereinbarten Strafe gem. § 343 Abs. 1 BGB in Betracht. Üblich und verhältnismäßig werden Vertragsstrafen nach der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung6 bis zur Höhe des Doppelten des berechtigten Jahresbeitrags angesehen, da eine Vertragsstrafe deutlich über der Prämiendifferenz liegen muss, um die bezweckte abschreckende Wirkung zu entfalten.
Gerichtlich als angemessen eingestuft wurden Vertragsstrafen in Höhe von 500,00 EUR bei Überschreitung der in der Kaskoversicherung vereinbarten Laufzeit7.
Unzulässig ist in jedem Fall, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung hinsichtlich der Angaben zu Merkmalen zur Beitragsermittlung im Schadensfall mit Leistungskürzungen verknüpft. Beispielsweise ist eine Verdoppelung der Selbstbeteiligung bzw. Leistungskürzung um 300,00 EUR im Falle eines Unfalls überraschend im Sinne von § 305 c BGB, weil die Höhe der Jahreskilometerlaufleistung gerade keinen Einfluss auf die Höhe der Versicherungsleistung hat8.
Gemessen an diesen Grundsätzen widersprechen die Klauseln Nr. 6 Abs. 2a und Nr. 6 Abs. 2b TB-KR, auch in einer Gesamtschau, den Geboten von Treu und Glauben, weil der Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt wird, da die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Aus den von der Versicherung verwendeten Klauseln Nr. 6 Abs. 2a TB-KR und Nr. 6 Abs. 2b S. 1 und S. 2 TB-KR ist nicht zweifelsfrei ersichtlich, ob der Versicherer unter Vereinbarung der möglichen Vertragsstrafe nach Nr. 6 Abs. 2b S. 2 TB-KR auf die gesetzlichen Vorschriften bei Gefahrerhöhung (§§ 16 ff. VVG a.F.) verzichtet.
Zwar kann aus Nr. 6 Abs. 2b S. 2 TB-KR („statt“) entnommen werden, dass entweder die Rechte auf Rücktritt oder Kündigung aus dem VVG durch den Versicherer geltend gemacht werden können oder ersatzweise und unter Ausschluss der Gefahrerhöhungsrechte (Rücktritt und Kündigung) eine Vertragsstrafe in Höhe des neu berechneten Jahresbeitrags. Der Versicherer ist aber bei einer Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht berechtigt, sich die weiteren Rechte bei nicht angezeigten Gefahrerhöhungen (§§ 16 ff. VVG a.F.) zu sichern. Dies gilt auch, wenn der Versicherer sich diese Rechte nur wahlweise („statt“ in der Klausel Nr. 6 Abs. 2b S. 2 TB-KR) sichert oder weiter vorbehält.
Jedenfalls ist die genannte Vertragsstrafenklausel nicht eindeutig und kann in mehrfacher Hinsicht ausgelegt werden. Zweifel gehen bei Mehrdeutigkeit insoweit zu Lasten des Klauselverwenders, § 305 c Abs. 2 BGB.
Für die Mehrdeutigkeit sprechen auch die Regelungen in Nr. 6 Abs. 2a und 2 b TB-KR, weil in Nr. 6 Abs. 2a Abs. 2 TB-KR die Rechte bei nicht angezeigten Gefahrerhöhungen unberührt bleiben sollen. Nr. 6 Abs. 2a lautet auszugsweise wie folgt: „Im Übrigen gelten die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zur Gefahrerhöhung (§§ 16 bis 30 VVG).“
Dahinstehen kann, ob die Vertragsstrafenklausel, die auf eine bloße schuldhafte Nichtanzeige, somit auf eine vorsätzliche, grob fahrlässige und auch leicht fahrlässige Nichtanzeige abstellt, zusätzlich gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 306 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 25. Juli 2013 – 7 U 33/13
- Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, AKB 2008, Buchst. K [= S.2050][↩]
- Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., §§ 16, 17, Rn. 44 a ff.; Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 25 Rn. 6 ff. und AKB 2008 zu Buchst. K, Rn. 7 ff. [= S.2050 f.]; Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB K, Rn. 5 ff.; Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl., AKB 2008 zu Buchst. K, Rn. 16 ff.[↩]
- Michaelis ZfV 97, 731[↩]
- Schirmer/Marlow, VersR 1997, 782[↩]
- vgl. BGH VersR 2006, 1066[↩]
- Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., §§ 16, 17, Rn. 44 a ff.; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 25 Rn. 6 ff. und AKB 2008 zu Buchst. K, Rn. 7 ff. [= S.2050 f.]; Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB K, Rn. 5 ff.; Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl., AKB 2008, Buchst. K, Rn. 16 ff.[↩]
- AG Heidenheim, VersR 2009, 628; AG Leutkirch, VersR 2009, 1398 f.[↩]
- LG Dortmund, NJW-RR 2009, 249[↩]