Die Bezeichnung “(Vorsorge- und) Versicherungsberater” war im Jahr 2005 weder durch das Rechtsberatungsgesetz noch durch ein anderes Gesetz geschützt und, soweit sie für Mitarbeiter einer Versicherung verwendet wurde, auch nicht irreführend.
Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Rechtsstreit um den Einsatz von “Versicherungsberatern” der Allianz-Versicherung in der (seinerzeit zum Allianz-Konzern gehörenden) Dresdner Bank.
Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG durfte die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nur von Personen geschäftlich betrieben werden, denen die zuständige Behörde die Erlaubnis dazu erteilt hatte. Versicherungsberatern konnte diese Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RBerG für die Beratung von Versicherungsnehmern und die außergerichtliche Vertretung gegenüber Versicherern bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen und bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag im Versicherungsfall erteilt werden. Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 3 RBerG durften diese Tätigkeiten nur unter der der Erlaubnis entsprechenden Berufsbezeichnung ausgeübt werden. Diese Regelungen bezweckten, zum Schutz der Rechtsuchenden sowie im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs fachlich ungeeignete und unzuverlässige Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten fernzuhalten.
Das Berufsbild der Versicherungsberater ist – anders als das der Versicherungsvermittler – durch die Unabhängigkeit von der Versicherungswirtschaft geprägt, so dass eine Beratung objektiv und neutral zu erfolgen hat und, soweit eine entsprechende Erlaubnis erteilt ist, eine Rechtsberatung einschließt. Das Rechtsberatungsgesetz regelte jedoch nicht das vollständige Berufsbild des Versicherungsberaters, sondern lediglich den Teilaspekt der von diesem vorzunehmenden Rechtsberatung, wobei Versicherungsangestellten nach dem Willen des Gesetzgebers mangels persönlicher Eignung keine solche Erlaubnis erteilt werden sollte.
Im Streitfall geht es allerdings nicht um das Angebot einer unzulässigen Rechtsberatung, sondern um den Schutz einer Berufsbezeichnung. Diese Frage war im Jahr 2005 weder im Rechtsberatungsgesetz noch in einem sonstigen Gesetz geregelt. Den in den Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft enthaltenen Bestimmungen fehlte die erforderliche normative Verbindlichkeit, so dass ein möglicher Verstoß gegen sie nicht zur Unlauterkeit des Verhaltens nach § 4 Nr. 11 UWG 2004 führte. Die Bestimmung des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 3 RBerG enthielt lediglich das Gebot, erlaubnispflichtige Rechtsberatung unter der jeweils genannten Berufsbezeichnung zu erbringen, nicht dagegen das Verbot, die Bezeichnung außerhalb der erlaubnispflichtigen Tätigkeit zu benutzen. Die Regelungen für Rechtsbeistände in § 4 Abs. 5 der 2. Ausführungsverordnung zum Rechtsberatungsgesetz sowie im inzwischen geltenden § 11 Abs. 4 RDG, wonach das Führen der dort genannten Berufsbezeichnungen den jeweiligen Erlaubnisinhabern vorbehalten war bzw. ist, waren im Jahr 2005 nicht mehr bzw. noch nicht anwendbar.
Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Verkehrsauffassung insoweit durch gesetzliche Vorschriften geläutert war. Allerdings kann die Verkehrsauffassung durch gesetzliche Vorschriften grundsätzlich in der Form beeinflusst werden, dass sie den bestehenden Normen entspricht. Insoweit kommen allerdings wiederum allein die Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes in Betracht. Diese regelten jedoch lediglich den Teilbereich der Rechtsberatung, nicht dagegen das Berufsbild oder die darauf bezogene Berufsbezeichnung. Aus der im Rechtsberatungsgesetz enthaltenen Regelung erschloss sich insbesondere nicht, warum ein Mitarbeiter einer Versicherung dem Berufsbild eines Versicherungsberaters nicht entsprach und keine Erlaubnis zur Rechtsberatung erhalten konnte. Da es sich bei der Bezeichnung “Versicherungsberater” zudem um einen der Umgangssprache nahe stehenden Begriff handelte und der Verkehr mit dieser Bezeichnung keine Vorstellung über die Qualität der Dienstleistung oder einer besonderen Qualifikation verband, schied eine Irreführung auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit eines durch gesetzliche Regelungen gesteuerten Verkehrsverständnisses aus.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Mai 2009 – I ZR 220/06