Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung – und ihre Begrenzung

Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachkalkulation, die zu einer Beitragserhöhung führt, bleibt unabhängig davon wirksam, ob die – nachgelagerte – Limitierungsmaßnahme fehlerfrei erfolgt ist. Der Versicherungsnehmer muss beweisen, dass die Limitierungsentscheidung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wendet sich der klagende Versicherungsnehmer gegen Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher unter anderem auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben1. Das Berliner Kammergericht hat in der Berufungsinstanz das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert, aber ebenfalls unter anderem die Unwirksamkeit einer Prämienanpassung festgestellt und die Versicherungsgesellschaft zur Rückzahlung der darauf gezahlten Prämienanteile verurteilt2. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Versicherungsgesellschaft, während sich der Versicherungsnehmer mit der Anschlussrevision gegen die zeitliche Beschränkung der Feststellung wendet, dass er nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.

Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht des Kammergerichts, das die Prämienanpassung für materiell unwirksam gehalten hat, nicht gefolgt; er hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Kammergericht zurückverwiesen:

Eine Prämienanpassung vollzieht sich in zwei Schritten. Die Prämie wird zunächst anhand der geänderten Rechnungsgrundlagen neu kalkuliert; in einem Gerichtsverfahren hat der Versicherer zu beweisen, dass diese Nachkalkulation den Anforderungen des § 155 Abs. 1 VAG entspricht. In einem zweiten Schritt kann die Beitragserhöhung gemäß § 155 Abs. 2 VAG durch die Verwendung von Mitteln aus den Rückstellungen für Beitragserstattungen limitiert werden.

Bei einer gerichtlichen Kontrolle der Limitierungsmaßnahmen sind lediglich besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen der Versicherten geeignet, einen materiellen Verstoß gegen den sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Prüfungsmaßstab für die Limitierungsmaßnahmen zu begründen. Eine Motiv- oder Begründungskontrolle der vom Versicherer getroffenen Limitierungsentscheidung findet nicht statt. Die Fehlerhaftigkeit einer Limitierungsmaßnahme lässt die materielle Wirksamkeit einer Prämienanpassung, die im Übrigen auf einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Nachkalkulation beruht, unberührt. Diese führt lediglich dazu, dass dem einzelnen Versicherungsnehmer, soweit er dadurch konkret beeinträchtigt ist, ein individueller Anspruch auf (weitere) Limitierung, d.h. auf dauerhafte Absenkung seiner Prämie zustehen kann.

Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast dafür, dass die Limitierungsentscheidung den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Der Umstand, dass der Versicherungsnehmer die internen Verhältnisse des Versicherers nicht kennen kann, führt allerdings zu einer sekundären Darlegungslast des Versicherers. Er hat zu den Parametern, die der Limitierungsentscheidung zugrunde liegen, näher vorzutragen. Diese Darlegungslast beinhaltet jedoch nicht die Vorlage eines umfassenden, sich auf alle parallel mit Limitierungsmitteln bedachten Tarife erstreckenden Limitierungskonzepts.

Die Revision hatte auf dieser Grundlage Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit der Klage darin stattgegeben worden war. Soweit es die Wirksamkeit der Prämienanpassung betrifft, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen, damit es die Prüfung der Nachkalkulation der Prämie nachholen und, falls diese Prüfung keine Fehler ergibt, die Limitierungsmaßnahme unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs neu beurteilen kann. Die Anschlussrevision des Versicherungsnehmers führte aufgrund eines Verfahrensfehlers des Kammergerichts ebenfalls zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. März 2024 – IV ZR 68/22

  1. LG Berlin, Urteil vom 24.05.2018 – 23 O 144/17[]
  2. KG, Urteil vom 08.02.2022 – 6 U 88/18[]