Der für Rechtschutzversicherungsverträge relevante § 17 Abs. 5 c) cc) ARB 2010 ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe unwirksam. Nach § 17 Abs. 5 c) cc) der ARB 2010 der Beklagten hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles, „soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden,… alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte“.
Die im Streit stehende Klausel ist, so das OLG Karlsruhe, intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und daher steht dem Kläger nach §§ 1, 3 UKlaG ein Anspruch auf Unterlassung ihrer Verwendung zu. Nach § 1 UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet, die nach den §§ 307 – 309 BGB unwirksam sind.
Die vorstehende Klausel ist in ihren beiden zu entscheidenden Teilen nicht – wie die Beklagte meint – nach § 307 Abs. 3 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen. Zwar führt die Beklagte zutreffend an, dass deklaratorische Klauseln, die mit Rechtsvorschriften übereinstimmen und keine konstitutive Wirkung haben, nicht der Inhaltskontrolle unterliegen. Demgegenüber ist die Inhaltskontrolle bei Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder aushöhlen, eröffnet1. Dies gilt insbesondere für rechtsergänzende AGB, die im Vollzug eines ergänzungsbedürftigen Gesetzes den gesetzlich vorgegebenen Rahmen ausfüllen2.
Maßgebend sind hiernach die gesetzlichen Regelungen der §§ 125, 82, 86 VVG. Nach § 125 VVG ist der Rechtsschutzversicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen. § 82 Abs. 1 VVG regelt die Obliegenheit, wonach der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen hat. Ferner ist in § 86 Abs. 2 VVG die Obliegenheit normiert, wonach der Versicherungsnehmer seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruches dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer, soweit erforderlich, mitzuwirken hat.
Demgegenüber hat der Versicherungsnehmer nach der hier zu beurteilenden Klausel „soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte“. Indem hierdurch etwaige Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers auf die Rechtsschutzversicherung konkretisiert werden und vom Versicherungsnehmer bereits alles zu vermeiden ist, was auch nur geeignet ist, zu einer Kostenerhöhung oder Erschwerung des Erstattungsanspruchs zu führen, beschränkt sich die Klausel gerade nicht auf die bloße Wiedergabe der angeführten gesetzlichen Regelungen, sondern geht vielmehr über sie hinaus. Sie ist daher – ungeachtet § 307 Abs. 3 S. 2 BGB – insgesamt der Inhaltskontrolle zugänglich.
Vor Prüfung der Klausel nach § 307 BGB ist ihr Inhalt durch Auslegung zu ermitteln. Nach gefestigter Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an3. Für die Wirksamkeitsprüfung im Rahmen des Unterlassungsklageverfahrens ist dabei von der „kundenfeindlichsten“ Auslegung auszugehen4.
Ob ein Verhalten des Versicherungsnehmers „unnötig“ Kosten verursachend ist, könnte hiernach grundsätzlich im Sinne einer Prüfung der Erforderlichkeit der Maßnahme zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen verstanden werden und entspräche damit dem eigentlichen Leistungsversprechen in § 1 ARB. Bei der kundenfeindlichsten Auslegung könnte mangels anderweitigen Regelungsgehalts der Klausel der Begriff „Kosten“ jedoch auch bezogen werden auf den unnötigen, somit nicht erforderlichen und nicht vom Versicherer zu erstattenden Teil der tatsächlichen Kosten einer Interessenwahrnehmung. Als Obliegenheit könnte aus kundenfeindlichster Sicht demnach auch statuiert sein, die Rechtsverfolgungskosten auch nicht außerhalb des versicherten Umfanges zu erhöhen, was über § 82 Abs. 1 VVG hinausginge. Hinzu kommt, dass die Klausel nicht etwa ein an der Erforderlichkeit der rechtlichen Maßnahme ausgerichtetes Verhalten des Versicherungsnehmers verlangt, sondern vielmehr ausschließlich an die Kostenfolge eines solchen Verhaltens anknüpft. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der in der Regel keine Kenntnis des Kostenrechts hat, wird durch das Abstellen auf die Kostenerhöhung nicht deutlich, welche Verhaltensweisen von ihm gefordert werden. Schließlich erfährt der Regelungsgehalt insofern eine über die Erforderlichkeit hinausgehende Verschärfung, als nicht nur alles zu vermeiden ist, was eine unnötige Erhöhung der Kosten verursacht, sondern „verursachen könnte“. Demnach wäre vom Versicherungsnehmer alles – durch Tun oder Unterlassen – zu vermeiden, was grundsätzlich in irgendeiner Weise geeignet sein könnte, höhere Kosten zu verursachen. Hiervon betroffen könnten sogar Maßnahmen sein, deren kostenrechtliche Behandlung in der Rechtsprechung in Streit stünde.
Auch der Passus „Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite“ geht bei kundenfeindlichster Auslegung über die Regelung des § 86 Abs. 2 VVG hinaus. Eine Erschwerung der Erstattung kann bei schwachen Schuldnern bereits die vorrangige Vollstreckung des titulierten materiellen Anspruches sein. Mit dem Merkmal, dass die Interessen des Versicherungsnehmers „nicht unbillig beeinträchtigt werden“ wird die Klausel nicht hinreichend in den Anordnungsbereich des § 86 Abs. 2 VVG zurückgeholt. Mit der Beurteilung der Frage, was grundsätzlich eine Erschwerung der Erstattung der Kosten durch die Gegenseite verursachen könnte, wird einem Versicherungsnehmer etwas abverlangt, das ihm ohne rechtliche Kenntnis nur schwer, wenn überhaupt abschätzbar ist.
Die Klausel verstößt nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gegen das Transparenzgebot. Hiernach ist der Verwender von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen; insbesondere müssen Nachteile und Belastungen so weit erkennbar werden, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann5. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann6. Im Hinblick auf die Fassung von Obliegenheiten muss wegen der einschneidenden Wirkung der Leistungsfreiheit das auferlegte Tun oder Unterlassen ausdrücklich vereinbart sowie klar und eindeutig erkennbar sein, was im Einzelnen verlangt wird. Diese Auslegung des Obliegenheitsbegriffs gehört gleichzeitig zum gesetzlichen Leitbild im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB7.
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Klausel nicht gerecht. Denn der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer kann § 17 Absatz 5 c) cc) der vorliegenden ARB gerade nicht entnehmen, was von ihm konkret verlangt wird. Ihm wird – zumal mit der unbestimmten Einschränkung „nicht unbillig beeinträchtigt“ – nicht verdeutlicht, ob er gegen seine Obliegenheiten verstößt und hierdurch seinen Versicherungsschutz ganz oder teilweise gefährdet. Der Versicherungsnehmer wird durch diese unklare Formulierung vielmehr unangemessen benachteiligt, weil er infolgedessen von einer erforderlichen Interessenwahrnehmung abgehalten werden kann.
Eine etwaige Kenntnis eines vom Versicherungsnehmer beauftragten Rechtsanwalts kann dem Versicherungsnehmer ebenfalls nicht ohne weiteres zugerechnet werden. Eine Haftung des Versicherungsnehmers für ein Verschulden seines Rechtsanwalts als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB scheidet bereits aus, weil es sich bei Obliegenheiten nicht um Verbindlichkeiten im Sinne des § 278 Abs. 1 S. 2 BGB handelt. Im Übrigen verbietet sich eine generelle Betrachtungsweise der Zurechnung des Handelns eines Rechtsanwalts als Wissensvertreter oder Wissenserklärungsvertreter schon deshalb, als es jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig ist, ob sich der an den Rechtsanwalt erteilte Auftrag nur auf die Wahrnehmung der Rechte einer Partei gegenüber dem Gegner bezieht und die Beauftragung gerade nicht die Geltendmachung der Rechte aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag oder die Wahrnehmung etwaiger Obliegenheiten der Partei gegenüber dem Rechtsschutzversicherer umfasst, zumal etwa die Einholung einer Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung des Mandanten für den Rechtsanwalt vergütungsrechtlich auch eine andere Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG als die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegenüber dem Gegner sein kann8.
Auch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die Klausel infolge unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam.
Das Wesen einer vertraglich vereinbarten, mit der Sanktion der Leistungsfreiheit verbundenen Obliegenheit besteht darin, dass ein Verhalten, also bestimmte Handlungen oder ein Unterlassen, vorgeschrieben wird, das es zu beachten gilt, wenn der Versicherungsschutz erhalten werden soll. Wegen der einschneidenden Wirkung der Leistungsfreiheit muss das auferlegte Tun oder Unterlassen ausdrücklich vereinbart sein und klar und eindeutig erkennen lassen, was im einzelnen verlangt wird. Diese durch Rechtsprechung und Literatur geprägte Auslegung des Obliegenheitsbegriffs gehört zum gesetzlichen Leitbild im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB9.
Sofern – wie vorliegend – der Versicherungsnehmer jedoch nicht deutlich erkennen kann, was von ihm verlangt wird, widerspricht es bereits diesen Anforderungen. Daran vermögen weder der Entschuldigungs- noch der Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 17 Abs. 6 ARB etwas zu ändern, da hierdurch der Versicherungsnehmer in die Lage gebracht wird, sich entlasten zu müssen. Dadurch ist er – entgegen dem zum Obliegenheitenrecht entwickelten Leitbild – schlechter gestellt, weil Zweifel an Inhalt und Umfang der Obliegenheit stets zu seinen Lasten gehen10.
Soweit die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung auch die unnötigen, nicht erforderlichen und nicht vom Versicherer zu erstattenden Kosten umfasste, ginge dies über § 82 Abs. 1 VVG hinaus und wäre eine unangemessene Benachteiligung, schon weil insoweit kein berechtigtes Interesse des Versicherers auszumachen ist. Zwar würden die meisten dieser Obliegenheitsverletzungen wegen offenbaren Fehlens einer Ursächlichkeit letztlich folgenlos bleiben; bei arglistiger Verletzung der Obliegenheit beließe es die Bedingung aber bei der Leistungsfreiheit. Denkt man hinzu, dass ein Versicherer bei unnötiger Aufblähung der Kosten auf die Idee der Zurechnung von Anwaltsverschulden kommen kann11, könnte er in diesen Fällen versucht sein, dem Versicherungsnehmer unter Berufung auf die Klausel seine Leistungsfreiheit entgegen zu halten. Auch soweit hiernach Kosten zu vermeiden wären, deren rechtliche Behandlung in der Rechtsprechung in Streit stünde, tatsächlich jedoch vom Leistungsversprechen umfasst wären, stellte die geforderte Unterlassung eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Gleiches gilt, soweit auch der zweite Teil der Klausel „Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite“ bei kundenfeindlichster Auslegung den Versicherungsnehmer bereits davon abhalten könnte, bei schwachen Schuldnern vorrangig seinen titulierten materiellen Anspruch geltend zu machen.
Der Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG setzt das Bestehen einer Wiederholungsgefahr voraus12. Die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die unzulässige Klauseln enthalten, begründet eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. An die Beseitigung der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen13. Die Beklagte hat die streitgegenständliche Klausel ab dem Jahr 2010 verwendet. Für den Kläger streitet insoweit eine tatsächliche Vermutung. Weder die Änderung der beanstandeten Klausel noch die Zusage, die Klausel nicht mehr zu verwenden, reichen aus, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, zumal wenn wie vorliegend der Verwender noch im Prozess die Wirksamkeit der Klausel verteidigt und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt14.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. November 2011 – 12 U 104/11
- Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 307 Rn. 43, 45; BGH NJW 1993, 2369; BGH NJW 1999, 2279; BGH NJW 2001, 2012; BGH NJW-RR 2008, 189; BGH VersR 2009, 769[↩]
- BGH NJW 2001, 2012[↩]
- BGH NJW 1993, 2369; BGH NJW 2006, 2545[↩]
- BGH NJW 2009, 2051; BGH NJW 1993, 2369; Palandt/Bassenge, BGB, 70. Auflage, § 1 UKlaG Rn. 6[↩]
- BGH NJW 2006, 2545; BGH VersR 2005, 639[↩]
- BGH VersR 2009, 1622[↩]
- BGH VersR 2009, 1659; OLG Celle, Urteil vom 29.09.2011 – 8 U 146/11[↩]
- vgl. KG Berlin AnwBl 2010, 445; a. A. OLG München JurBüro 1993, 163; offen lassend BGH NJW 2011, 1222[↩]
- BGH VersR 2009, 1659; BGH VersR 1993, 830[↩]
- BGH VersR 2009, 1659[↩]
- vgl. LG München, Urteil vom 18.06.2010 – 23 O 9531/08[↩]
- Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., UKlaG § 1 Rn. 6[↩]
- BGH NJW 2002, 2386[↩]
- BGH WM 2000, 1967; BGH NJW 2002, 2386; Senat, Urteil vom 20.02.2003 – 12 U 210/02 = NJW-RR 2003, 778[↩]