Der private Krankenversicherer kann sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, soweit die auf eine gemäß § 203 Abs. 5 VVG unwirksame Prämienanpassung gezahlten Erhöhungsbeträge der Höhe nach den kalkulierten Beträgen für die Bildung der tariflichen Alterungsrückstellung, für den Beitragszuschlag nach § 149 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz und für die Zuschläge nach §§ 7, 8 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung entsprechen.
Der Rückgewähranspruch des Versicherungsnehmers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst.
Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung kommt eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist1. Soweit die Revision geltend macht, die Versicherungsgesellschaft sei durch die empfangenen Zahlungen in Höhe der kalkulierten Risikoprämien nicht bereichert, da diese der Erbringung von Versicherungsleistungen gedient hätten, trifft das nicht zu. Der weiterhin bestehende wirksame Versicherungsvertrag verpflichtete die Versicherungsgesellschaft zur Erbringung von Versicherungsleistungen2. Eine Entreicherung durch die Tilgung eigener Verbindlichkeiten kommt aber nur in Betracht, wenn der Bereicherungsschuldner deshalb freiwerdende Mittel ersatzlos verbraucht; unter diesen Umständen fehlt es an der Ursächlichkeit der rechtsgrundlosen Zahlung für den (zunächst) durch Tilgung der Verbindlichkeiten entstehenden Vermögensvorteil3.
Auch Billigkeitserwägungen stehen der Pflicht zur Rückzahlung rechtsgrundlos empfangener Erhöhungsbeträge, auch soweit sie betragsmäßig der kalkulierten Risikoprämie entsprechen, nicht entgegen. Solange die Prämie nicht in dem nach § 203 Abs. 2 und 5 VVG vorgeschriebenen Verfahren wirksam angepasst wurde, ist ein gegebenenfalls materiell erhöhter Wert des Versicherungsschutzes nicht zu berücksichtigen4. Gerade die Vorschriften zur Prämienanpassung bezwecken es, die Einhaltung des Äquivalenzprinzips und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen zu gewährleisten5. Es ist daher nicht unbillig, den formal nicht wirksam gewordenen Erhöhungsbetrag ungeachtet seiner materiell richtigen Berechnung nicht zu zahlen und gleichzeitig den vertraglich vereinbarten Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen.
Die Versicherungsgesellschaft kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, soweit die gezahlten Erhöhungsbeträge der Höhe nach den kalkulierten Beträgen für die Bildung der tariflichen Alterungsrückstellung, für den Beitragszuschlag nach § 149 Satz 1 VAG und für die Zuschläge nach §§ 7, 8 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) entsprechen.
Entreicherung liegt vor, wenn der erlangte Vorteil nicht mehr im Vermögen des Empfängers enthalten ist und auch sonst kein auf die Zuwendung zurückzuführender Vermögensvorteil mehr vorhanden ist6. Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners sind dabei nur berücksichtigungsfähig, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquatkausal auf der Bereicherung beruhen7. Die Berechnung der Alterungsrückstellung aufgrund gesetzlicher Vorgaben unabhängig von der Wirksamkeit der Prämienanpassungen nach geänderten Rechnungsgrundlagen kann aber kein Vermögensnachteil sein, der auf der Prämienanpassung und der rückabzuwickelnden Prämienzahlung der Versicherungsnehmerin beruht8.
Daran hält der Bundesgerichtshof auch weiterhin fest. Die Vorschriften über die Berechnung und Bilanzierung der Alterungsrückstellung führen nicht dazu, dass rechtsgrundlos empfangene Zahlungen des Versicherungsnehmers, die nicht als Prämie geschuldet waren, aus dem Vermögen des Versicherers ausscheiden und nicht zurückerstattet werden können, soweit sie der Höhe nach dem Sparanteil der Prämie oder dem Beitragszuschlag nach § 149 Satz 1 VAG entsprechen. Zwar ist es für die Neukalkulation der Prämie ohne Bedeutung, ob und wann eine aus der Neukalkulation folgende Prämienanpassung gegenüber dem Versicherungsnehmer wirksam wird und in welcher Höhe später Prämienzahlungen geleistet werden. Da die Berechnung der Alterungsrückstellung gemäß § 146 Abs. 1 Nr. 2 VAG, § 341f Abs. 3 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 160 Satz 1 Nr. 1 VAG, § 3 KVAV mit den der Beitragsberechnung zugrundeliegenden Rechnungsgrundlagen durchzuführen ist, gilt dies auch für die aus dieser Berechnung folgenden künftigen Verpflichtungen, die der Versicherer als Alterungsrückstellung in seiner Handelsbilanz bei den Passiva abzubilden hat, § 146 Abs. 1 Nr. 2 VAG, §§ 341f Abs. 3, 249 Abs. 1 HGB. Aber aus diesen Vorschriften zur Berechnung und Bilanzierung der Alterungsrückstellung folgt nicht, dass nicht geschuldete Prämienzahlungen diesen Berechnungen folgend wie geschuldete Prämienzahlungen zu verwenden sind und auf diese Weise einen nicht umkehrbaren Vermögensverlust des Versicherers verursachen, der sich deswegen gegenüber dem Versicherungsnehmer auf Entreicherung berufen könnte. Durch die Vorschriften zur Berechnung der Alterungsrückstellung und weiterer Zuschläge und ihre Einstellung in die Bilanz wird der Versicherer im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht berechtigt, ohne Rechtsgrundlage erlangte Beträge, die nicht der Prämienschuld entsprechen, zu vereinnahmen und der Alterungsrückstellung – oder auch den Zuschlägen nach §§ 7, 8 KVAV – zuzuordnen.
Durch den Verweis auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation in § 203 Abs. 1, § 203 Abs. 2 Satz 4 VVG hat der Gesetzgeber zwar den materiellen Kern dieser Bestimmungen im Vertragsrecht abgebildet9. Aber § 203 Abs. 5 VVG enthält eine versicherungsvertragliche Regelung zum Wirksamwerden der Prämienanpassung im Verhältnis zum einzelnen Versicherungsnehmer, die nicht von den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation verdrängt wird. Entgegen der Ansicht der Revision kann daher die materiell richtige Neukalkulation der Prämie allein nicht zur Geltung der Neufestsetzung im Vertragsverhältnis führen, wenn die Voraussetzungen des Wirksamwerdens der Prämienanpassung nach § 203 Abs. 5 VVG nicht erfüllt sind.
Auch mit Billigkeitserwägungen kann daher ein Bereicherungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht eingeschränkt werden. Einem Bereicherungsanspruch könnte es allenfalls entgegenstehen, wenn der Schutzzweck der Norm, auf deren Anwendung die Unwirksamkeit der Verträge beruht, eine etwaige Rückabwicklung verhindern will10. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Vorschrift über das Wirksamwerden der Prämienanpassung in § 203 Abs. 5 VVG dient dem Informationsrecht des Versicherungsnehmers11 und nicht einem Interesse des Versicherers – oder auch des Versichertenkollektivs – am Behaltendürfen nicht geschuldeter Prämien.
Falls die Versicherungsgesellschaft aus den Zahlungen des Versicherungsnehmers ohne gesetzliche Grundlage Beträge der Alterungsrückstellung zugeführt haben sollte, kommt es für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber dem Versicherungsnehmer an. Eine Bereicherung ist nicht weggefallen, soweit der Bereicherte seine eigene Verfügung über den empfangenen Vermögensvorteil wieder rückgängig machen kann12. Dass dies nicht möglich wäre, hat die für den Wegfall der Bereicherung darlegungs- und beweisbelastete Versicherungsgesellschaft in den Vorinstanzen nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Köln nicht geltend gemacht. Aber auch das Revisionsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Rückzahlung von Leistungen des Versicherungsnehmers, die der Versicherer ohne Rechtsgrund empfangen, aber nach seiner Behauptung wie eine geschuldete Prämienzahlung zum Teil der Alterungsrückstellung zugeführt haben will, keine Auflösung einer Rückstellung im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB und daher nicht von deren Voraussetzungen abhängig. Die Auflösung einer Rückstellung in diesem Sinne bedeutet vielmehr die Entfernung der ungewissen Verbindlichkeiten als Passiva aus der Bilanz und damit einen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen oder die Ausweisung als Verbindlichkeit, wenn die Ungewissheit über das Bestehen der Verpflichtung entfällt13. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht Köln in diesem Fall auch die vom Krankenversicherer hilfsweise erklärte Aufrechnung mit vom Versicherungsnehmer erlangten Vermögensvorteilen abgelehnt14. Sind die Gegenforderungen schon nicht bestimmbar und damit nicht hinreichend individualisierbar, hat das die Unzulässigkeit der Hilfsaufrechnung zur Folge15. Das war hier der Fall, da die Versicherungsgesellschaft keine Angaben zum Aufrechnungsbetrag oder dessen Zusammensetzung gemacht hat. Mit der erstmaligen Bezifferung der Aufrechnungsforderung in Gestalt der Beträge, die sie der Alterungsrückstellung zugeführt oder als Zuschläge nach §§ 7, 8 KVAV verbucht haben will, trägt die Versicherungsgesellschaft mit der Revision neue Tatsachen vor, die gemäß § 559 Abs. 1 ZPO in dritter Instanz ausgeschlossen sind.
Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht Köln eine Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen auch insoweit festgestellt, als diese im Jahr 2016 aus den nicht geschuldeten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden. Der mit der Ziehung der Nutzungen 2016 entstandene Anspruch verjährte mit dem Ablauf des 31.12.2019, bevor die Verjährung des Nutzungsherausgabeanspruchs durch die am 24.02.2020 anhängig gewordene Klageerweiterung gehemmt wurde. Entgegen der Ansicht der Revision erfasst die Verjährung dagegen nicht den Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, die ab dem 1.01.2017 aus den im Jahr 2016 gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden, da die Verjährungsfrist erst mit der Anspruchsentstehung durch die Nutzungsziehung zu laufen begann.
Unzutreffend hat das Oberlandesgericht Köln außerdem einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen insoweit angenommen, als sie in demselben Zeitraum, für den dem Versicherungsnehmer auch Zinsen aus den zurückzuzahlenden Prämienanteilen zugesprochen worden sind, gezogen wurden. Der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen ist vielmehr auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen16. Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen. Daher besteht neben dem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen kein Anspruch auf Prozessoder Verzugszinsen2. Eine Pflicht der Versicherungsgesellschaft zur Herausgabe gezogener Nutzungen ist daher nur für die Zeit vor dem Verzinsungsbeginn am 12.07.2019 festzustellen. Darüber hinaus greift die Revision die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln über die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe der Nutzungen hinsichtlich dieser Prämienerhöhungen nicht an. Insoweit richtet sie sich auch nicht gegen die festgestellte Pflicht zur Verzinsung der herauszugebenden Nutzungen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. September 2022 – IV ZR 2/21
- vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 46[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 aaO[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2016 – IX ZR 160/14, WM 2016, 2319 Rn. 15 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 47[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 49[↩]
- BGH, Urteil vom 27.10.2016 – IX ZR 160/14, WM 2016, 2319 Rn. 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2015 – IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 36[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 109/20 27[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 42; vom 16.06.2004 – IV ZR 117/02, VersR 2004, 991 unter – II 1 a aa 9][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1997 – IV ZR 35/96, VersR 1997, 1213 unter – I 4 c 25][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 44[↩]
- BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 52[↩]
- vgl. Beck Bilanz-Komm./Schubert, 13. Aufl. HGB § 249 Rn. 390[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 01.12.2020 – 9 U 18/20[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.09.2017 – VII ZR 36/17, BauR 2018, 145 Rn. 12[↩]
- BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 58[↩]