Keine Versicherung wegen einer Behinderung?

Eine unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG liegt nur dann vor, wenn das Verhalten daran anknüpft, dass sich der Betroffene in einem § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX entsprechenden Zustand befindet. Hierfür genügt es regelmäßig nicht, wenn an eine Krankheit angeknüpft wird.

Für die Frage, ob eine Behinderung im Sinne des AGG vorliegt, ist der sozial-rechtliche Begriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX heranzuziehen. Entscheidend ist, ob sich ein Mensch in einem so definierten Zustand befindet. Hiervon ist die Ursache dieses Zustands (die zugrundeliegende Krankheit) zu unterscheiden. Krankheit und Behinderung sind nicht gleichzusetzen.

Berücksichtigt ein Versicherungsunternehmen bei seiner Entscheidung über eine privatrechtliche Versicherung eine Krankheit, die die Ursache für eine Behinderung ist, kann darin eine mittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG liegen.

Für eine Ungleichbehandlung bei einer privatrechtliche Versicherung stellt § 20 Abs. 2 Satz 3 AGG die allgemeine Rechtfertigungsnorm dar, die geringere Anforderungen an eine Rechtfertigung stellt als § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG. § 20 Abs. 2 Satz 3 AGG greift auch ein, wenn ein Versicherungsunternehmen einen Vertragsabschluss ganz ablehnt.

Fehlt es aus nachvollziehbaren Gründen an ausreichenden statistischen Grundlagen, genügt es zur Rechtfertigung nach § 20 Abs. 2 Satz 3 AGG, wenn die Entscheidung des Versicherers auf anderen, vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen beruht, die mit dem zu versichernden Risiko korrelieren.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27. Mai 2010 – 9 U 156/09