In der Fahrzeugversicherung ist eine zu hohe Angabe vorhandener Fahrzeugschlüssel generell nicht geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden.
In der objektiv falschen Angabe zur Anzahl der vorhandenen Schlüssel ist eine Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 7 I (2) Satz 3 AKB zu sehen. Die dem Versicherungsnehmer hiernach obliegende Aufklärung gebietet es, auf Fragen des Versicherers zutreffende Angaben zur Anzahl der Fahrzeugschlüssel zu machen. Rechtsfolge einer Verletzung dieser Obliegenheit ist gemäß § 7 V (4) AKB Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG a.F.
Die Obliegenheitsverletzung geschah vorsätzlich, soweit die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG a.F. nicht widerlegt wird.
Die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen der Leistungsfreiheit des Versicherers jedoch entgegen. Nach dieser Rechtsprechung setzt die Leistungsfreiheit des Versicherers im Falle einer zwar vorsätzlichen, aber folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers ein erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers, dessen ordnungsgemäße Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung sowie deren generelle Eignung, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, voraus1.
Die Obliegenheitsverletzung des Klägers ist für den Versicherer folgenlos geblieben. Zudem ist ein der Versicherung entstandener Nachteil durch die falsche Angabe nicht ersichtlich. Insbesondere sind die Aufklärungsmöglichkeiten der Versicherung, ob tatsächlich ein Versicherungsfall vorgelegen hat, durch die unzutreffende Angabe des Klägers nicht beeinträchtigt worden.
Anders als bei zu niedriger Angabe der Anzahl der Schlüssel ist deren zu hohe Angabe in der Fahrzeugversicherung generell nicht geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden.
Denn in diesem Falle wird der Versicherer wegen des aus seiner Sicht fehlenden Schlüssels allenfalls dazu veranlasst werden, die Regulierung zurückzustellen, bis der Verbleib des vermeintlich fehlenden Schlüssels geklärt ist. Dementsprechend hat im hier entschiedenen Fall die beklagte Versicherung reagiert, indem sie den Kläger um ergänzende Stellungnahme bat.
Im Zusammenhang mit den Schlüsseln geht das Interesse des Versicherers bei einem gemeldeten Fahrzeugdiebstahl regelmäßig dahin, alle vom Hersteller ausgelieferten und noch vorhandenen Fahrzeugschlüssel sachverständig untersuchen zu lassen, unter anderem darauf, ob Kopierspuren vorhanden sind, was auf das Fertigen von Nachschlüsseln deutet und weitere Nachforschungen nach sich zieht. Ferner ist für den Versicherer generell wichtig, prüfen zu können, ob alle Schlüssel vorhanden sind, weil das Fehlen eines Schlüssels Hinweise darauf geben kann, dass dieser einem Dritten zur Verfügung gestellt worden ist, damit er das Fahrzeug – zur Vortäuschung eines Diebstahls – von seinem Standort verbringt2. Ob alle Schlüssel vorhanden und gegebenenfalls einem Sachverständigen zur Untersuchung übergeben sind, kann der Versicherer aber nicht feststellen, wenn der Versicherungsnehmer ihm die Existenz eines oder mehrerer Schlüssel verschweigt, indem er deren Anzahl zu niedrig angibt. Durch die zu hohe Angabe gefährdet der Versicherungsnehmer dagegen allenfalls sein eigenes Interesse an einer schnellen Schadenregulierung.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 2011 – IV ZR 108/07
- BGH, Urteile vom 28.02.2007 – IV ZR 331/05, VersR 2007, 785 unter II 2 b; vom 26.01.2005 – IV ZR 239/03, VersR 2005, 493 unter 2 c; vom 21.01.1998 – IV ZR 10/97, VersR 1998, 447 unter 2 b; weitere Nachweise siehe bei Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 6 Rn. 54 ff.; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 6 Rn. 101 und Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 6 VVG Rn. 33 ff. und § 7 AKB Rn. 88 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2004 – IV ZR 265/03, VersR 2004, 1117 unter 3[↩]




