Stornoabzug bei einer britischen Lebensversicherung

Die Vereinbarung eines Stornoabzugs (Marktpreisanpassung) in einem Lebensversicherungsvertrag eines englischen Lebensversicherers, die im Falle der Kündigung des Vertrages (Rückgabe des Vertrages) eine Kürzung des Rückkaufswertes (Rücknahmepreises) in völlig unbestimmter Höhe nach Ermessen des Versicherers vorsieht, ist unwirksam. Der Versicherer muss in diesen Fällen den Rückkaufswert ungekürzt auszahlen.

Die Klausel zur „Marktpreisanpassung“, die bei „Rückgabe eines Vertrages“ (Nr. 3.2 b AVB) zur Kürzung des „Rücknahmewertes“ (Nr. 3.1 AVB) führt, ist in der Sache eine Stornoklausel, auf die § 176 Abs. 4 VVG a.F. anzuwenden ist. Sie verfolgt zwar den mit einer Stornoklausel zulässigerweise verfolgbaren Zweck einer Vermeidung von Risikoverschlechterungen zu Lasten der verbleibenden Versicherungsgemeinschaft (vgl. Münchener Kommentar, VVG, § 169 Rn. 119 – Antiselektion -). Ihre Fassung lässt jedoch in keiner Weise erkennen, welche wirtschaftlichen Folgen der Versicherer im Falle der Kündigung dieses Vertrages der Klausel entnehmen will. Sie entspricht somit nicht dem Transparenzgebot und ist deshalb unwirksam (§ 307 BGB).

Erschwert wird das Verständnis der Klausel bereits dadurch, dass in großem Umfang Definitionen der im Bedingungswerk verwendeten Begriffe den eigentlichen Regelungen vorangestellt sind. Der rechtlich nicht vorgebildete Versicherungsnehmer ist es nicht gewohnt, die für ihn maßgebenden Regelungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Fundstellen zu ermitteln.

Die Klausel in Nr. 3.2 AVB enthält mehrere Anpassungselemente („Pool mit garantiertem Wertzuwachs“, „Rückgabebonus“ und „Marktpreisanpassung“). Trotz der Definition in Ziff. 1.3 AVB ist die Unterscheidung dieser Berechnungselemente vor allem im weiteren Verlauf des Regelungswerkes schwierig oder überhaupt nicht möglich. Zudem werden in Ziff. 3.2 AVB „Rückgabebonus“ und „Marktpreisanpassung“ als aufeinander aufbauende Komponenten dargestellt, obwohl diese gegenläufige Anpassungsmechanismen an die Wertentwicklung des Poolkapitals darstellen. So tritt eine „Marktpreisanpassung“ (= Abzug) dann ein, wenn „ein Rückgabebonus [greift], doch sein Wert Null [ist]“ (vgl. Ziff. 3.2 b S. 2 AVB). Bereits der Begriff „Marktpreisanpassung“ ist trotz des in der Definition (vgl. Ziff. 1.3) verwendeten Wortes Abzug und der Erläuterung ihres Zwecks in Ziff. 1.3 AVB irreführend. Die nachteilige Wirkung wird insbesondere durch die verharmlosende Darstellung mittels der Wörter „eventuell, kann, gegebenenfalls, fair“ auch bei einer Gesamtbetrachtung der Regelungen in den einzelnen Klauseln nicht ausreichend erkennbar, ebenso wenig wie die Größenordnung des Abzugs.

Die Richtlinien der Beklagten und die Grenzen der „Marktpreisanpassung“ sind in den Policenbedingungen auch nicht auf andere Weise beschrieben. Selbst aus den – nach Vertragsschluss von der Beklagten erstellten – „Grundsätze und Usancen bei der Finanzverwaltung (PPFM)“ lässt sich nicht feststellen, wie die Marktpreisanpassung konkret berechnet wird. Es wird dort auf unterschiedliche Berechnungsmethoden hingewiesen, ohne die Funktionsweisen der verschiedenen Methoden zu erläutern. Konkret dargelegt wird einzig, dass die Marktpreisverringerung momentan auf maximal 25 % begrenzt ist. Eine weitere Konkretisierung wäre für die Beklagte bereits bei Vertragsschluss möglich und zumutbar gewesen, auch wenn nach der bei Vertragsschluss geltenden Fassung des VVG noch keine Bezifferung des Stornoabzuges vom Gesetz gefordert war. Vor allem hätte die Beklagte beispielsweise mithilfe von Schaubildern das Zusammenspiel und die Grenzen der einzelnen Mechanismen ohne große Mühe erläutern können1. Die von der Beklagten später – nach Vertragsschluss – verfassten Hinweise (PPFM) zeigen die inhaltliche Beliebigkeit der Klausel, die sie nach dem Verständnis der Beklagten haben sollte. Auf eine verbindliche Obergrenze wollte sie völlig verzichten.

Für die hiernach unwirksame Vereinbarung von Abzügen bei der Kündigung (Stornoabzug) gibt es im Gesetz eine Regelung (§ 176 Abs. 4 VVG a.F.). Wenn die Vereinbarung in den AVB unwirksam ist, besteht kein Anspruch auf einen Abzug2. Die Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung in diesem Punkt stellt sich somit nicht.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 24. Mai 2012 – 7 U 170/11

  1. vgl. BGHZ 147, 373[]
  2. BGHZ 164, 297 Rn. 38[]