Lebensversicherung – und der Tod während des laufenden Versicherungsjahres

Der Eintritt des Versicherungsfalles in der Lebensversicherung unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 39 VVG zur vorzeitigen Vertragsbeendigung. Es bleibt mithin trotz des Todes der versicherten Person die Versicherungsprämie für das gesamte Jahr zu zahlen.

Weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung ist bislang vertreten worden, dass auch der Eintritt des Versicherungsfalles, der in der Lebensversicherung stets zum Ende des Versicherungsvertrages führt, weil sich kein weiterer Versicherungsfall mehr ereignen kann, unter die Vorschrift des § 39 VVG fällt.

Die Kommentarliteratur geht nahezu einhellig davon aus, dass die Vorschrift das Schicksal des Prämienanspruchs für den Fall regelt, dass es zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung vor Ablauf der Versicherungsperiode gekommen ist, weil entweder der Versicherer vom Vertrag Abstand genommen oder der Versicherungsnehmer ein ihm zustehendes besonderes Lösungsrecht vom Vertrag ausgeübt hat1, oder beschränkt ihren Anwendungsbereich sogar auf den Fall einer vorhergehenden Kündigung gemäß § 38 Abs. 3 VVG2. Lediglich Rixecker führt aus, die Vorschrift erfasse „alle Fälle“ der vor Ablauf der Versicherungsperiode erfolgenden Beendigung des Versicherungsverhältnisses3, nennt aber als Anwendungsfälle ebenfalls nur Vertragsaufhebung und Kündigung. Es ist nicht ersichtlich, dass er auch den Eintritt des Versicherungsfalles in der Lebensversicherung als Beendigung i.S. von § 39 VVG verstehen will. Gerichtsentscheidungen, die bei Eintritt des Todesfalles in der Lebensversicherung § 39 VVG für anwendbar halten, sind ebenfalls nicht bekannt.

Die Versicherung ist gemäß § 4 (3) AVB zur Verrechnung der Versicherungsleistung mit der ausstehenden Prämie in voller Höhe berechtigt. Die gemäß § 42 VVG halbzwingende Regelung des § 39 VVG steht dem nicht entgegen. Die Beendigung eines Lebensversicherungsvertrages infolge des Eintritts des Versicherungsfalles durch den Tod der versicherten Person wird von § 39 VVG nicht erfasst. Dabei kann dahinstehen, ob auch dieser Fall bei einer rein wörtlichen Auslegung unter den Begriff der „Beendigung des Versicherungsverhältnisses“, die nach der Paragrafenüberschrift des Gesetzes eine „vorzeitige“ sein muss, subsumiert werden kann. Es folgt zumindest aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Mit der Neuregelung in § 39 VVG hat der Gesetzgeber das bis dahin geltende Prinzip der Unteilbarkeit der Prämie aufgegeben. Motiv hierfür war, dass er in diesem Prinzip eine unangemessene Begünstigung des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers gesehen hat. Dabei hat der Gesetzgeber, wie der einleitende Satz der Gesetzesbegründung zu § 39 VVG deutlich macht, ebenfalls nur ein außerplanmäßiges Ende des Versicherungsvertrages während der Versicherungsperiode, zum Beispiel durch Kündigung oder Rücktritt, im Auge gehabt. Durch § 39 Abs. 1 Satz 1 VVG sollte klargestellt werden, dass dem Versicherer in diesem Fall nur der Teil der vereinbarten Prämie zusteht, der dem von ihm zeitanteilig getragenen Risiko entspricht4.

Die Beendigung des Lebensversicherungsvertrages durch den Eintritt des Todesfalles stellt bereits kein außerplanmäßiges Ende des Vertrages dar, weil dieser ausnahmslos mit Eintritt des Versicherungsfalles endet, mithin bereits bei Abschluss des Vertrages feststeht, dass er in diesem Fall sein sofortiges Ende findet.

Die Höhe der Jahresprämie beruht deshalb auf einer Kalkulation des Versicherers, wie hoch das Risiko anzunehmen ist, dass während des Versicherungsjahres der Versicherungsfall eintritt. Dabei macht es keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt während der Versicherungsperiode die versicherte Person gegebenenfalls verstirbt. Die kalkulierte Prämie deckt das Risiko, das sich nur einmal verwirklichen kann, von vornherein für die Dauer des gesamten Jahres ab. Anders als in Fällen der Vertragsbeendigung vor Ablauf der Versicherungsperiode durch Kündigung oder Rücktritt entfällt also nicht ein Teil des vom Versicherer übernommenen Risikos, das in die Prämienkalkulation für das gesamte Jahr eingeflossen ist. Vielmehr hat der Versicherer das Todesfallrisiko nicht nur zeitanteilig, sondern für das gesamte Jahr getragen. Der Eintritt des Todes ändert daran nichts. Der für die Regelung des § 39 VVG tragende Gedanke, dass dem Versicherer nur der Teil der vereinbarten Prämie zustehen soll, der einem auch nur zeitanteilig getragenen Risiko entspricht, greift nicht ein, wenn sich das für das gesamte Jahr übernommene Risiko in vollem Umfang verwirklicht hat.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juli 2014 – IV ZR 204/13

  1. MünchKomm-VVG/Staudinger, § 39 Rn. 4; Stagl in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 39 Rn. 1; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 1a Rn. 27; HK-VVG/Karczewski, 2. Aufl. § 39 Rn. 2[]
  2. FAKomm-VersR/Thessinga, § 39 VVG Rn. 3; wohl auch Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 39 Rn. 2[]
  3. in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 39 Rn. 2[]
  4. RegE, Begründung zu § 39 VVG, BT-Drs. 16/3945 S. 72 li. Sp.[]