Das geleaste Auto in der Kaskoversicherung

Das aus der Differenzkasko-Klausel „Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust eines geleasten Pkw erhöht sich in der Vollkasko die … Leistung auf den Ablösewert des Fahrzeuges, der sich aus der Abrechnung des Leasinggebers ergibt (Differenzkasko). … Im Schadenfall haben Sie uns folgende Unterlagen vorzulegen: Leasingvertrag, Abrechnung des Leasingvertrags, Berechnung des Ablösewerts und Endabrechnung des gegnerischen Haftpflichtversicherers …“ folgende erweiterte Leistungsversprechen setzt voraus, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer vom Leasinggeber auf den Ablösewert des Fahrzeugs in Anspruch genommen wird.

Wie unter A.02.4 AKB ausdrücklich bestimmt ist, handelt es sich bei der Kfz-Kaskoversicherung für geleaste Fahrzeuge im Kern um eine Versicherung für fremde Rechnung i.S. der §§ 43 ff. VVG n.F., bzw. §§ 74 ff. VVG a.F., welche in erster Linie das Sachersatzinteresse der Leasinggeberin als Eigentümerin des jeweils versicherten Fahrzeugs, andererseits aber auch das Sacherhaltungsinteresse des Leasingnehmers schützt1. Der gemäß A.02.06.1 Buchstabe a AKB auszugleichende Sachschaden entsteht bei geleasten Fahrzeugen nicht dem Leasing- und Versicherungsnehmer, sondern dem Leasinggeber. Deshalb bemisst sich die Höhe der zu leistenden Kasko-Entschädigung nach dessen Verhältnissen2.

Die Leasinggeberin ist aber nicht auch versicherte Person hinsichtlich des zusätzlichen – den Differenzbetrag zwischen Wiederbeschaffungs- und Ablösewert betreffenden Leistungsversprechens aus A.02.06.1 Buchstabe d AKB. Bei dieser so genannten Differenzkasko-Klausel handelt es sich nicht um eine bloße Erstreckung der Fremdversicherung auf einen weiter gehenden, bei der Fahrzeugeigentümerin eintretenden Vermögensschaden. Vielmehr enthält die Differenzkasko-Klausel eine nur den Leasing- und Versicherungsnehmer schützende Bestimmung, die das Versicherungslücken-Risiko abdeckt, welches sich daraus ergeben kann, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer bei Verlust eines geleasten Fahrzeuges dem Leasinggeber die Ablösesumme schuldet, während der Kaskoversicherungsschutz zunächst nur den Sachverlust abdeckt und deshalb lediglich auf den Ersatz des – in aller Regel niedrigeren – Wiederbeschaffungswertes des versicherten Fahrzeugs gerichtet ist.

Das ergibt die Auslegung dieser Klausel.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an3. Wird eine Versicherung wie hier typischerweise als Fremdversicherung genommen, ist zudem auf die Verständnismöglichkeiten der versicherten Person Rücksicht zu nehmen4. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind5.

Nach diesen Maßstäben kann dem erweiterten Leistungsversprechen in A.02.06.1 Buchstabe d AKB entnommen werden, dass es abweichend vom Versicherungsschutz für den Sachverlust des versicherten Fahrzeugs nicht zugunsten des Leasinggebers als versicherter Person, sondern ausschließlich zugunsten des Versicherungsnehmers gilt. Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer eine Abrechnung des Leasinggebers vorlegt, aus der sich der zu ersetzende Differenzkaskobetrag ergibt. Diese Abrechnung wird nicht nur im ersten Absatz der Differenzkasko-Klausel angesprochen, sondern dem Versicherungsnehmer wird im Weiteren auferlegt, sie im Schadenfall dem Versicherer vorzulegen. Damit wird sowohl dem Versicherungsnehmer als auch dem in der Kaskoversicherung von Leasingfahrzeugen versicherten Leasinggeber verdeutlicht, dass der Differenzkaskoschutz nur zugunsten des Leasing- und Versicherungsnehmers und nur dann besteht, wenn der Versicherungsnehmer vom Leasinggeber auf den Differenzbetrag in Anspruch genommen wird.

Anderes erschließt sich auch nicht aus dem erkennbaren Zweck und dem wirtschaftlichen Zusammenhang, in den die Differenzkasko-Klausel gestellt ist.

In Leasingverträgen wird typischerweise vereinbart, dass der Leasingnehmer ergänzend zu den geleisteten Leasingraten bei Beendigung des Vertrages die Vollamortisation der Gesamtkosten des Leasinggebers einschließlich dessen kalkulierten Gewinns durch eine Abschlusszahlung sicherstellen muss6. Für den Fall des Diebstahls oder Totalschadens eines geleasten Fahrzeugs kann das dem Kraftfahrzeugleasingnehmer zuzugestehende Recht, den Leasingvertrag kurzfristig zu kündigen, mit einer Verpflichtung zur Ausgleichszahlung verbunden werden7. Im Streitfall ergibt sich das aus Absatz – X Ziffer 6 in Verbindung mit Absatz XV der allen Leasingverträgen zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Leasing von Kraftfahrzeugen. Danach kann der Leasingvertrag bei Totalschaden oder Diebstahl des geleasten Fahrzeugs kurzfristig gekündigt werden mit der Folge, dass der Leasingnehmer dem Leasinggeber den nach Absatz XV zu errechnenden Ablösewert abzüglich eines Verkaufserlöses des geleasten Fahrzeugs schuldet.

Geht der Leasinggegenstand vor Ablauf der ins Auge gefassten Vertragslaufzeit durch Diebstahl oder Totalschaden verloren, tritt, sofern der Leasinggeber von dem vorgenannten Recht Gebrauch macht, beim Leasingnehmer ein entsprechender Vermögensschaden ein, vor dem er sich schützen will. Die Differenzkasko-Klausel wird er deshalb so verstehen, dass das darin gegebene Leistungsversprechen anders als der Ersatz des Wiederbeschaffungswertes – nicht dem Leasinggeber, sondern ihm selbst zugutekommen soll. In diesem Verständnis wird er sich dadurch bestärkt fühlen, dass der Leasingvertrag ihn lediglich zum Abschluss einer Kaskoversicherung verpflichtet, die das Sachverlustrisiko abdeckt. Fehlt somit eine Verpflichtung zur Vereinbarung einer Differenzkasko-Klausel, wird der Leasing- und Versicherungsnehmer davon ausgehen, der freiwillig erweiterte Versicherungsschutz und die von ihm dafür eingesetzten zusätzlichen Prämienanteile dienten allein seinem Interesse.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall ist die von A.02.06.1 Buchst. d AKB vorausgesetzte Abrechnung des Leasinggebers gegenüber den Leasingnehmern, d.h. die Erhebung des Anspruchs auf die Differenz zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswert, in keinem der zugrundeliegenden Einzelfälle erfolgt.

Auf die Auslegung der in den Leasing-Verträgen vereinbarten „Leasing-Extra“-Klausel und die Frage, ob der darin geregelte Verzicht auch für Fälle gilt, in denen der Leasingnehmer einen Kaskoversicherungsvertrag mit Differenzkasko-Klausel abgeschlossen hat, kommt es daher im Ergebnis nicht an. Entscheidend für die Verneinung des Leistungsanspruchs gemäß der Differenzkasko-Klausel ist allein, dass unstreitig den Versicherungsnehmern die Differenz zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswert vom Leasingeber nicht in Rechnung gestellt und ein erstattungsfähiger Differenzschaden bei den Versicherungsnehmern damit nicht eingetreten ist. Ansprüche auf Differenzkasko-Leistungen sind somit nicht entstanden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Oktober 2014 – IV ZR 16/13

  1. vgl. BGH, Urteil vom 14.07.1993 – IV ZR 181/92, r+s 1993, 329 unter 1; OLG Hamm r+s 2012, 382, 383[]
  2. BGH aaO[]
  3. BGH, Urteil vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig[]
  4. vgl. Reiff in MünchKomm-VVG, AVB Rn. 81; Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 45 Rn. 2; zur Gruppenversicherung vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2003 – IV ZR 56/02, VersR 2003, 719 unter 2 b m.w.N.[]
  5. BGH, Urteil vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1985 – VIII ZR 148/84, BGHZ 95, 39, 52 ff.[]
  7. BGH, Urteile vom 22.01.1986 – VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65 unter – II 1 a; vom 15.10.1986 – VIII ZR 319/85, NJW 1987, 377 unter – I 2 a bb; vom 15.07.1998 – VIII ZR 348/97, BB 1998, 2078 unter – II 2 a[]