Die Lebensgefährtin in der Lebensversicherung

Eine Lebensgefährtin ist keine Hinterbliebene des Schuldners im Sinne des § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

Nicht zu beanstanden ist für den Bundesgberichtshofs die Auffassung, die Lebensgefährtin des Schuldners, mit der er nicht verheiratet ist, sei nicht seine Hinterbliebene, so dass deren Benennung als Bezugsberechtigte im Versicherungsvertrag grundsätzlich den Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO entfallen lässt.

Die Zivilprozessordnung definiert den Begriff des Hinterbliebenen nicht. In der Literatur werden darunter der Ehegatte, die Kinder und Pflegekinder verstanden1, weiterhin überwiegend auch der eingetragene Lebenspartner2. Eine Lebensgefährtin fällt demgemäß nach übereinstimmender Auffassung nicht in den Kreis der Hinterbliebenen. Lediglich Hartmann3 geht – allerdings ohne Begründung – erheblich darüber hinaus, indem er jeden Verwandten unabhängig vom Verwandtschaftsgrad in den Kreis der Hinterbliebenen aufnimmt, daneben aber auch den Ehegatten und den Lebensgefährten.

Die Entstehungsgeschichte des § 851c ZPO und der Wille des Gesetzgebers sprechen dagegen, eine Lebensgefährtin als Hinterbliebene anzusehen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte noch jede Bestimmung von Dritten als Bezugsberechtigten als schädlich erachtet4. Im Verlauf der Beratungen sprach sich der Rechtsauschuss des Deutschen Bundestages dafür aus, die Hinterbliebenen aus dem Begriff der Dritten in § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO herauszunehmen. Dabei sollten in Anlehnung an den im Versorgungsrecht herrschenden Hinterbliebenenbegriff zumindest der Ehegatte sowie Kinder und Pflegekinder des Schuldners darunter fallen5. Die weitere Diskussion befasste sich im Wesentlichen damit, ob auch eingetragene Lebenspartner als Hinterbliebene gelten sollten6. Die Aufnahme des nichtehelichen Lebensgefährten in den Kreis der Hinterbliebenen wurde hingegen nicht erwogen. So wurde das Gesetz dann verabschiedet.

Auch der Gesetzeszweck steht der Auffassung der Rechtsbeschwerde entgegen. § 851c ZPO zielt unter anderem darauf ab, durch den Schutz von Vermögenswerten, die der privaten Sicherung der Altersvorsorge dienen, eine vollstreckungsrechtliche Ungleichbehandlung gegenüber öffentlich-rechtlichen Renten- oder Versorgungsleistungen zu beseitigen7. Dem entspricht es, den Pfändungsschutz nur für Ansprüche aus Verträgen zu gewähren, deren Leistungen vergleichbar diesen öffentlich-rechtlichen Leistungen ausgestaltet sind. Letztere sehen – bei Unterschieden im Detail – Hinterbliebenenleistungen an den Ehegatten bzw. den eingetragenen Lebenspartner sowie die Kinder und Verwandte der aufsteigenden Linie vor8). Leistungen an nichteheliche Lebensgefährten finden sich dort nicht. Ihre Erstreckung auf die Lebensgefährten im Wege der Analogie lehnt die Rechtsprechung mangels planwidriger Regelungslücke zu Recht ab9.

Die von der Rechtsbeschwerde angeführten Erwägungen aus anderen Rechtsgebieten führen zu keiner anderen Beurteilung. Die dort verfolgten Zwecke sind andere als die des § 851c ZPO. Bei den sozialrechtlichen Regelungen geht es um die wechselseitige Solidarität: die Leistungsberechtigung des nichtehelichen Lebensgefährten gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II ist mit seiner Einstandspflicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II verknüpft. Die mietrechtlichen Entscheidungen des BGH bezwecken den elementaren Schutz des Hausgenossen bei der Wohnraummiete. Im Vollstreckungsverfahren hingegen geht es um die Abwägung von Schuldner- und Gläubigerinteressen. Dabei wollte der Gesetzgeber – wie die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt – die Ausnahme von der grundsätzlichen Schädlichkeit einer Bezugsberechtigung Dritter eng ziehen.

Eine andere Auslegung bedingt auch nicht der weitere Zweck des Gesetzes, staatliche Transferleistungen zu reduzieren. Die Gewichtung dieses Zwecks ist Sache des Gesetzgebers, der das Gläubigerinteresse mit dem Fiskalinteresse des Staates in der getroffenen gesetzlichen Regelung abgewogen hat10.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. November 2010 – VII ZB 5/08

  1. MünchKommZPO/Smid, ZPO, 2. Aufl., § 851c Rn. 3; Zöller/ Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 851c Rn. 2; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 4. Aufl., § 851c Rn. 3[]
  2. Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 851c Rn. 2; Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., § 851c Rn. 7; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 2. Aufl., § 851c Rn. 25; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 71a; Pape, ZAP Fach 14 S. 529, 532; Stöber, NJW 2007, 1242, 1245; Hasse, VersR 2007, 870, 885; Smid, FPR 2007, 443, 446; Wimmer, ZInsO 2007, 281, 283 f.; Holzer, ZVI 2007, 113, 116; ders., DStR 2007, 767, 769 f.; Helwich, JurBüro 2007, 286, 288[]
  3. in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 851c Rn. 7[]
  4. BT-Drs. 16/886, S. 5, 8, 10[]
  5. BT-Drs. 16/3844, S. 12[]
  6. vgl. BT-Drs. 16/3844, S. 10 f.[]
  7. BT-Drs. 16/866, S. 7[]
  8. etwa § 25 AbgG, §§ 16 ff. BeamtVG, § 17 BEG, §§ 38 ff. BVG, §§ 46, 48 SGB VI ((vgl. auch Stöber, NJW 2007, 1242, 1245[]
  9. BSG, BSGE 53, 137, 138; NJW 1995, 3270, 3271; vgl. auch BVerfG, NJW 2003, 3691; NJW 2005, 1709[]
  10. vgl. BT-Drs. 16/886, S. 7 f.[]