Herabsetzung eines vereinbarten Risikozuschlags in der Krankenversicherung

Gemäß § 41 a Abs. 1 VVG a. F. kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass die Prämie herabgesetzt wird, wenn wegen bestimmter, die Gefahr erhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart wurde und diese Umstände nach Abschluss des Vertrages wegfallen oder ihre Bedeutung verlieren. Diese Bestimmung findet auch auf die Krankenversicherung Anwendung1. Weiterhin muss eine Gefahrminderung in dem Sinne vorliegen, dass der ungünstige, die Gefahr erhöhende Umstand dauerhaft weggefallen ist2. Ist ein ausdrücklicher Zuschlag vereinbart und entfällt die Gefahr, so muss dieser wegfallen3. § 41 a VVG a. F. ist allerdings unanwendbar, wenn zwar ein gefahrerhöhender Umstand weggefallen ist, sich insgesamt aber der Gefahrstand wegen hinzugekommener anderer gefahrerhöhender Umstände nicht verringert hat4.

Im Übrigen ist für die Angemessenheit einer Verminderung das im Vertrag zugrunde gelegte Prämienberechnungssystem maßgebend5. Es sind mithin lediglich anstelle der ursprünglichen die veränderten Berechnungselemente (Risikofaktoren) in die Rechnung einzusetzen. Dabei sind für die Frage der Risikobewertung die Grundsätze maßgebend, von denen sich der Versicherer bei der Risikoprüfung generell leiten lässt. Dies gilt im Zusammenhang mit einer Überprüfung von Risikozuschlägen gemäß § 41 a VVG a.F. ebenso wie im Zusammenhang mit der Frage der Gefahrerheblichkeit eines gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 VVG a. F. anzeigepflichtigen Umstandes6.

Maßgebend ist deshalb, welche Prämie sich nach den Grundsätzen der Risikobewertung der Beklagten ergibt, wenn man die vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellte schmerzfreie altersgerechte Spondylarthrose (degenerative Veränderungen der Wirbelsäulengelenke) der Risikobewertung zugrunde legt. Wäre hier nach dem im Vertrag zugrunde gelegten Prämienberechnungssystem keine Gefahrerhöhung angenommen worden, muss der insoweit berechnete Risikozuschlag entfallen. Wäre ein Risikozuschlag zwar erhoben worden, aber in geringerer Höhe, so ist fortan nur der verringerte Risikozuschlag zu Grunde zu legen. Entscheidend sind die Grundsätze zur Risikoeinschätzung zum Zeitpunkt des Änderungsverlangens, also im Jahr 20087.

Dist Versicherung ist nicht verpflichtet, der Prämienkalkulation statt ihrer eigenen Risikoeinschätzung die dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende ärztliche Risikobeurteilung zugrunde zu legen. Sie ist berechtigt, ihre Prämienkalkulation auf eigenen Erfahrungswerten aufzubauen. Dass sie sich dabei in weiten Bereichen mit den ärztliche Einschätzungen in Übereinstimmung befinden dürfte, ergibt sich aus der Natur der Sache. Sie ist jedoch rechtlich nicht gehalten, jede Entwicklung der medizinischen Wissenschaft in ihr Prämiensystem umzusetzen. Ausgehend von diesen Grundsätzen der Prämienkalkulation ergibt sich, dass nach den belegten Risikogrundsätzen der Versicherung nach wie vor ein gefahrerhöhender Umstand i. S. d. § 41 a Abs. 1 VVG a.F. bezüglich Wirbelsäulen- und Bandscheibenerkrankungen vorliegt.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 31. März 2011 – 12 U 164/10

  1. Staudinger in Langheid/Wandt MünchKomm zum VVG, 2010, § 41 Rdn. 3; a.A. Boetius, ebenda, § 203 Rdn. 625[]
  2. Möller, in: Bruck/Möller, VVG-Kommentar, 8. Auflage 1961, § 41a, Anm. 5[]
  3. Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl., § 41 a Rdnr. 3[]
  4. Knappmann aaO. Rz 3[]
  5. BGH, VersR 1981, 621, Tz 21[]
  6. hierzu BGH VersR 1994, 711 Tz 7; VersR 2000, 1486 Tz 10 f.[]
  7. BK-Rieder § 41 a VVG Rz 4[]