Die rechtliche Trennung zwischen einer Rentenversicherung und einer auf den Abschluss dieser Rentenversicherung bezogenen Kostenvereinbarung kann unzulässig sein mit der Folge, dass die getrennt erteilten Widerrufsbelehrungen unwirksam sind.
So hat das Amtsgericht Lahr in dem hier vorliegenden Fall entschieden. Die Parteien streiten über einen Kostenanspruch anlässlich des Abschlusses eines Versicherungsvertrages. Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in L. Die Beklagte beantragte am 18.06.2008 bei der Klägerin den Abschluss einer fondgebundenen Rentenversicherung für sich selbst. Die Beklagte hat die Raten von monatlich 42,71 EUR aus der Kostenausgleichsvereinbarung ab April 2010 nicht mehr bezahlt. Mit Schreiben vom 08.10.2010 kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag Nr. 1 sowie eine bei der Klägerin unter Verwendung der gleichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgeschlossene Rentenversicherung Nr. 2.
Die Klägerin macht aus der Kostenausgleichsvereinbarung bzgl. 1 einen Restbetrag der noch nicht bezahlten Raten nebst Zinsen bis 12.11.2011 sowie 10,00 EUR Mahnkosten in Höhe von 1.087,20 EUR abzüglich 58,31 EUR geltend.
Die Klägerin meint, es handele sich bei dem Versicherungsvertrag und der Kostenvereinbarung um zwei selbständige Verträge. Eine Verrechnung zwischen monatlichen Versicherungsprämien und den monatlichen Raten der Kostenvereinbarung finde nicht statt.
Nach Auffassung des Amtsgerichts Lahr ist die Kostenausgleichsvereinbarung wirksam widerrufen worden, so dass keine weiteren Zahlungspflichten der Beklagten bestehen.
Die Rentenversicherung und die Kostenausgleichsvereinbarung unterfallen einheitlich dem Widerrufsrecht nach §§ 8, 152 VVG. Die getrennte Widerrufsbelehrung zur Kostenvereinbarung ist unwirksam, da sie zu Lasten der Beklagten (§ 18 VVG) nicht den Voraussetzungen des § 8 VVG entspricht. Der Beginn der Widerrufsfrist wurde darin abweichend von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VVG dargestellt. Bei der Belehrung über die Rechtsfolgen der Kündigung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG fehlt die Belehrung, dass im Falle des Widerrufes auch bei der Kostenausgleichsvereinbarung die geleisteten Zahlungen zurück zu erstatten sind. Gerechnet vom Vertragsabschluss am 18.06.2008 war die Widerrufsfrist von 30 Tagen nach § 152 Abs. 1 VVG bei der Fälligkeit der ersten Rate am 05.07.2008 noch nicht abgelaufen. Eine ausdrückliche Zustimmung zu einem Beginn des Versicherungsschutzes vor Ende der Widerrufsfrist nach § 9 Satz 1 VVG liegt nicht vor. Vielmehr ist in der Widerrufsbelehrung zum Versicherungsantrag ausdrücklich festgehalten, dass der Widerruf zur Folge hat, dass der Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz genießt.
Die Kündigungserklärungen der Beklagten gegenüber der Klägerin sind als Widerrufserklärungen aufzufassen. Aufgrund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung hat die Widerrufsfrist nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG nicht zu laufen begonnen, so dass der Widerruf rechtzeitig erfolgte. Der ausgeübte Widerruf führt zu der Umwandlung des Versicherungsvertrages in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis unter Erlöschen der entstandenen, aber noch nicht erfüllten Ansprüche1.
Die vertraglich festgelegte Selbständigkeit der Kostenvereinbarung gegenüber dem Versicherungsvertrag verstößt gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist aus diesem Grunde unwirksam.
Das gesetzliche Leitbild eines selbständigen Vertrages betreffend Provisionen für den Abschluss eines Vertrages stellt den Maklervertrag nach § 652 BGB dar. Diese Vorschrift ist vorliegend nicht anwendbar, da der Maklervertrag voraussetzt, dass der Hauptvertrag mit einem Dritten geschlossen wird, vorliegend aber die Klägerin sowohl den Versicherungsvertrag als auch die Kostenausgleichsvereinbarung abgeschlossen hat.
Die von einer Maklertätigkeit unabhängige Provisionsvereinbarung stellt keinen selbständigen Vertragstyp dar, sondern es ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich dabei um einen verschleierten Teil der für den Hauptvertrag zu erbringenden Leistungen oder etwa um Dienstleistungen oder auch um eine Schenkung handeln könnte2.
Nach der vertraglichen Regelung betrifft die Kostenausgleichsvereinbarung die Abschluss- und Errichtungskosten. Dies sind Kosten, die der Versicherer bis zur Policierung des Versicherungsvertrages aufzuwenden hat. Dabei ist dem Versicherer die Aufnahme von Fremdkapital untersagt. Um eine größere Belastung der Versichertengemeinschaft zu vermeiden, bildet der Versicherer eine Forderung gegenüber dem Versicherungsnehmer.
Im Falle der Anwendung des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahrens wird mit jedem Sparbeitrag des Versicherungsnehmers ein Teil der Abschluss- und Vertriebskosten getilgt. Dies wird in der Handelsbilanz ausgewiesen. Die Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten wurde in den letzten Jahren stärker reglementiert, um zu erreichen, dass bereits bei den Frühstornofällen ein Rückkaufswert entsteht.
Bei der vorliegenden Vertragsgestaltung erfolgt ebenfalls die Bildung einer Forderung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherten, wobei allerdings diese Forderung neben den Versicherungsbeiträgen eingezogen wird. Da dies der Klarheit über die Kostenhöhe dient, ist dagegen im Grundsatz nichts einzuwenden.
In beiden Fällen beruht die Kostentragung des Versicherten auf der vertraglichen Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. In beiden Fällen gibt es die Grundsatzentscheidung des Versicherers, dass die bis zur Policierung des Vertrages entstandenen Kosten von dem Versicherungsnehmer zu tragen sind, womit sich dieser einverstanden erklärt hat.
Die einer Vertragspartei entstehenden Kosten für den Vertragsabschluss erbringt diese Partei in erster Linie im Hinblick auf den Abschluss des Hauptvertrages, so dass es sich um Nebenkosten des Hauptvertrages handelt. Dies ergibt sich auch aus der vorliegenden Vertragsurkunde, da danach eigentlich die Kosten auf Seite 1 aufzuführen gewesen wären und sodann nur hinsichtlich der Tilgung auf die Kostenausgleichsvereinbarung verwiesen wird. Die Klägerin geht als Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen daher davon aus, dass es sich bei der Kostenausgleichsvereinbarung um eine bloße Tilgungsregelung handelt, die regelmäßig als Nebenvereinbarung gegenüber der Vereinbarung der grundsätzlichen Leistungspflicht zu qualifizieren ist. Entsprechend ist auch eine gemeinsame Einzugsermächtigung für Versicherungsbeiträge und Kostenraten vorgesehen.
Der Versicherer hat alle Kosten, die bei Abschluss des Versicherungsvertrages entstehen nach § 7 Abs. 2 VVG i.V.m. § 2 Abs. 2 VVG-InfoV bzw. Art. 35 Abs. 1 i.V.m. Anlage III A.a.10 Richtlinie 2002/83/EG dem Kunden mitzuteilen, so dass bereits aus diesem Grunde ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Hauptvertrag und Kostenregelung besteht. Dieser unmittelbare Zusammenhang beider Vertragsteile führt in der Auslegung dazu, dass die von der Klägerin vorgenommene künstliche Aufspaltung in Versicherungsvertrag und Kostenregelung dem Normalfall des gesetzlichen Leitbildes des Vertragsrechtes so stark widerspricht, dass eine Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel anzunehmen ist.
Davon abzugrenzen ist der selbständige Maklervertrag, der einem Urteil des Bundesgerichtshofes3 zugrunde liegt. Das Vorliegen eines selbständigen Maklervertrages bedeutet, dass hier Kosten abgerechnet werden, die gerade nicht beim Versicherer, sondern bei einem von diesem rechtlich unabhängigen Makler entstanden sind. Hier besteht eine rechtliche Notwendigkeit getrennter Verträge, da dem Versicherungsnehmer jeweils unterschiedliche Vertragspartner gegenüber stehen.
Im Rahmen der Drucksache 16/3945 des Deutschen Bundestages wird keine Aussage dazu getroffen, wie die Vertragsgestaltung einer gesonderten Vereinbarung zu den Abschlusskosten aussehen soll. Die Bezugnahme auf den Fall einer Maklerprovision bei der Wohnraummiete zeigt lediglich, dass bei dieser Begründung auf den Fall des oben erwähnten Urteils des Bundesgerichtshofes vom 20. Januar 2005 abgestellt wird, nicht jedoch auf eine unmittelbar mit dem Versicherer getroffene Vereinbarung.
Aufgrund der einheitlichen vertraglichen Gestaltung und der wirtschaftlichen Identität zwischen dem Versicherungsvertrag und der Kostenausgleichsvereinbarung wären auch bei der Annahme der Wirksamkeit der Klausel bzgl. der Selbständigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung auf beide Verträge die Regelungen der §§ 8, 152 VVG anzuwenden, da nur so eine unzulässige Umgehung des von dieser Vorschrift beabsichtigten Verbraucherschutzes abgewendet werden kann.
Da die Hauptforderung nicht besteht, war die Klage auch hinsichtlich der Nebenforderungen abzuweisen. Es bedurfte keiner Klärung, ob die Klägerin unzulässigerweise Zinseszins geltend macht hat und warum es sich bei dem Klageantrag Ziffer 2 um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung handeln soll.
Die Widerklage ist zulässig und begründet. Nach den oben dargestellten Grundsätzen bestanden keine Ansprüche aus der Kostenausgleichsvereinbarung, so dass die von der Klägerin vorgenommene Verrechnung der Rückkaufswerte unzulässig war. Da auch bei der Versicherung Nr. 2 gleichartige Bedingungen zugrunde gelegt wurden, ist auch hier von einer Unwirksamkeit der Verrechnung auszugehen.
Die Klägerin hat die von ihr errechneten Rückkaufswerte in Höhe von insgesamt 299,29 EUR an die Beklagte auszuzahlen, nachdem beide Versicherungen nicht mehr weiter bestehen.
Amtsgericht Lahr, Urteil vom 5. Januar 2012 – 5 C 114/11