Der Bundesgerichtshof hält daran fest, dass für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls die festgestellten Spuren nicht in dem Sinne stimmig sein müssen, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen1.
Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen2. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls – Einbruchspuren vorhanden sind3. Keine Voraussetzung ist dagegen, dass die festgestellten Spuren stimmig in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein4. Zweck der Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, ist gerade, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann5.
Gemessen daran hat in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall das Oberlandesgericht München in der Berufungsinstanz6 den Nachweis des äußeren Erscheinungsbilds eines Einbruchdiebstahls mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint:
Zu Unrecht stellt es darauf ab, dass der Sachverständige das Einstiegsfenster erst mit erheblicher Gewaltanwendung und unter Verursachen zuvor nicht vorhandener Einbruchspuren hat öffnen können. Damit verlangt das Oberlandesgericht München für den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls das Vorhandensein eines widerspruchsfreien, also stimmigen Spurenbilds und hält dem Versicherungsnehmer darüber hinaus das Fehlen der bei der behaupteten Vorgehensweise der Täter zu erwartenden, stärkeren Hebelspuren entgegen. In der Sache vermisst es den Nachweis eines typischen Tatablaufs, der aber keine Voraussetzung für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ist.
Die Feststellungen des Oberlandesgerichts München betreffend die Verriegelung der beiden Fenster hindern den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ebenfalls nicht. Er scheidet nicht deshalb aus, weil die Hebelspuren am mittleren Fenster nur bei einem verriegelten Fenster erzeugt werden können, die Polizeibeamten das Fenster aber in Kippstellung vorgefunden haben und der Fenstergriff sich auf einem Foto in den Ermittlungsakten nicht in der für eine Verriegelung notwendigen waagerechten Stellung befunden hat. Entsprechendes gilt für die nicht aufklärbare Frage der Verriegelung des Einstiegsfensters. Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen7.
So liegt es hier nicht. Das Oberlandesgericht München hat das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nicht aufgrund der verbleibenden Unklarheiten verneinen und dem Versicherungsnehmer insoweit einen unzureichenden Vortrag zum Tatgeschehen vorwerfen dürfen. Damit verlangt es zu Unrecht eine ins Detail gehende und widerspruchsfreie Schilderung des Tatgeschehens. Die dem Versicherungsnehmer zukommenden Beweiserleichterungen beruhen auf der Überlegung, dass es wegen des für eine Entwendung typischen Bemühens des Täters, seine Tat unbeobachtet und unter Zurücklassen möglichst weniger Tatspuren zu begehen, oft nicht möglich ist, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen. Da sich der Versicherungsnehmer gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung schützen will, kann nicht angenommen werden, der Versicherungsschutz solle schon dann nicht eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, den Ablauf der Entwendung in Einzelheiten darzulegen und zu beweisen8.
Ist dem Versicherungsnehmer der Beweis des äußeren Erscheinungsbilds eines Einbruchdiebstahls gelungen, so ist es Sache des Versicherers, seinerseits zu beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht war. Dabei kommen allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ihm Beweiserleichterungen zu. Erforderlich ist lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die allerdings nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist9. So kann etwa das Fehlen weiterer Spuren für sich allein oder im Zusammenhang mit anderen Indizien ausreichend sein, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung zu begründen10.
Ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl durch Einsteigen in das Gebäude kann nicht mit der Begründung verneint werden, darin liege prozessual ein anderer Sachverhalt als derjenige, den der Versicherungsnehmer zum Gegenstand seiner Klage gemacht habe. Nach allgemeinem Grundsatz macht sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen11. Der Versicherungsnehmer kann sich deshalb für den Fall, dass ihm der Nachweis des äußeren Bildes eines Einbrechens nicht gelingt, angesichts der Feststellungen des Sachverständigen hilfsweise auf ein Eindringen der Täter in das Gebäude durch ein unverschlossenes Fenster berufen haben. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob darin ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl durch Einsteigen liegt12. Dessen Vorliegen kann nicht mit der Erwägung des Oberlandesgerichts München verneint werden, die Spurenlage passe nicht zu einem Einsteigen der Täter in das Gebäude. Der Auffassung, bei Einsteigen der Täter in das Gebäude ließen sich die festgestellten Aufbruchspuren nicht erklären, liegt wiederum die Erwartung eines stimmigen Spurenbildes zugrunde. Stattdessen genügt auch hier, dass die festgestellten Tatsachen nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf ein bedingungsgemäßes Einsteigen der Täter in das Gebäude zulassen13.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. April 2024 – IV ZR 91/23
- vgl. BGH, Urteil vom 08.04.2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 22[↩]
- BGH, Urteile vom 08.04.2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 13; vom 20.12.2006 – IV ZR 233/05, VersR 2007, 241 Rn. 9 f.[↩]
- BGH, Urteile vom 08.04.2015 aaO; vom 20.12.2006 aaO Rn. 10[↩]
- BGH, Urteil vom 08.04.2015 aaO Rn. 22[↩]
- BGH, Urteile vom 08.04.2015 aaO; vom 18.10.1989 – IVa ZR 341/88, VersR 1990, 45 10]; BGH, Beschluss vom 05.11.1986 – IVa ZR 57/86, VersR 1987, 146 2][↩]
- OLG München, Beschluss vom 20.03.2023 – 14 U 6119/20[↩]
- BGH, Urteile vom 08.04.2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 22; vom 20.12.2006 – IV ZR 233/05, VersR 2007, 241 Rn. 13[↩]
- BGH, Urteile vom 08.04.2015 aaO Rn. 13; vom 20.12.2006 aaO Rn. 9[↩]
- BGH, Urteile vom 08.04.2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 14; vom 14.02.1996 – IV ZR 334/94, NJW-RR 1996, 981 9][↩]
- BGH, Urteil vom 08.04.2015 aaO Rn. 26[↩]
- BGH, Urteil vom 05.07.2017 – IV ZR 508/14, r+s 2017, 490 Rn. 23[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1993 – IV ZR 233/92, r+s 1994, 63 6, 10][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1993 aaO 12][↩]