Der Unfallversicherer hat den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen (hier dem Tod des Versicherungsnehmers) zu mindestens 25% mitgewirkt haben.
Die Beweislast für die Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen liegt bei dem Unfallversicherer1. Dies war bislang schon einhellige Auffassung und ist nunmehr in § 182 VVG gesetzlich normiert2. Nicht nur nach der Intention des Reformgesetzgebers3, sondern auch nach bislang unangefochtener Ansicht erstreckt sich die Beweislast des Versicherers auf den Nachweis, dass der Mitwirkungsanteil mindestens 25% entspricht4. Liegt der Mitwirkungsanteil darunter, so unterbleibt eine Minderung der Versicherungsleistung5.
Allerdings hält die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO für ausreichend, um einen Mitwirkungsanteil von mindestens 25% nachzuweisen. Vielmehr wird allgemein sowohl für die Prüfung, ob überhaupt unfallabhängige Faktoren mitgewirkt haben, als auch für die Frage, ob der Mitwirkungsanteil mindestens 25% beträgt, das strenge Beweismaß des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO angewandt6. Bleibt unklar, ob der Anteil der Mitwirkung 25% oder mehr beträgt, so kommt eine Leistungskürzung nicht in Betracht7. Erst wenn dieser Nachweis erbracht ist, obliegt es der freien tatrichterlichen Würdigung, die Höhe des anzurechnenden Mitwirkungsanteils gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu schätzen8. Demgemäß wurde in den im Berufungsurteil zitierten Entscheidungen9 zunächst festgestellt, dass der Mitwirkungsanteil der jeweiligen Vorerkrankung mehr als 25% betragen habe, und erst bei der Gewichtung im Verhältnis zu dem Unfall eine Schätzung nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommen.
Der Bundesgerichtshof teilt die herrschende Auffassung, dass der Versicherer für einen Mitwirkungsanteil von mindestens 25% den Vollbeweis gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erbringen hat. Bei der Prüfung, ob Krankheiten oder Gebrechen bei der durch den Unfall verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen zu mindestens 25% mitgewirkt haben, geht es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht um die Unfallfolgen und damit um die haftungsausfüllende Kausalität wie bei der vom Versicherungsnehmer nach dem Beweismaß des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu beweisenden Tatsache, dass die unfallbedingte Gesundheitsschädigung für die Invalidität oder den Tod des Versicherten (mit-)ursächlich war10. Vielmehr betrifft die Mitursächlichkeit von Vorerkrankungen eine Leistungseinschränkung, für die grundsätzlich der Versicherer die volle Beweislast trägt. Für diesen Beweis genügt nicht eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit. Vielmehr muss ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erreicht werden, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen11.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. November 2011 – IV ZR 70/11
- OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2010 10 U 1014/09, juris Rn. 46 m.w.N., die Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Parallelverfahren wurde durch BGH, Beschluss vom 14.09.2010 IV ZR 156/10 – zurückgewiesen; OLG Koblenz, r+s 2001, 348, 349; OLG Celle VersR 2010, 205, 207 m.w.N.; Leverenz in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz 9. Aufl. § 182 Rn.19 m.w.N.; Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl. § 3 AUB 99 Rn. 7 m.w.N.; Schießl in Halm/Engelbrecht/Krahe, Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht 4. Aufl. 22. Kap. Rn. 68; Rüffer in HKVVG 2. Aufl. Ziff. 3 AUB 2008/2010 Rn. 6; Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung Ziff. 3 AUB 2008 Rn. 9 m.w.N.; Kloth, Private Unfallversicherung Kap. J Rn. 11; Götz in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 182 Rn. 6; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 8 AUB 94 Rn. 6; ders. in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Nr. 3 AUB 2008 Rn. 8; Hormuth in Terbille, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 2. Aufl. § 24 Rn. 187 m.w.N.; Wussow/Pürckhauer, AUB 6. Aufl. § 8 Rn. 12[↩]
- Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Versicherungsvertragsreformgesetz, BT-Drucks. 16/3945 S. 108[↩]
- aaO[↩]
- OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2010 aaO; r+s 2001 aaO; Leverenz aaO; Grimm aaO; Jannsen aaO; Kloth aaO; Götz aaO; Hormuth aaO[↩]
- Kloth aaO[↩]
- OLG Düsseldorf r+s 2002, 261, 262; OLG Koblenz r+s 2001 aaO; OLG Frankfurt VersR 1991, 762; Leverenz aaO; Grimm aaO; Jannsen aaO; Götz aaO; Wussow/Pürckhauer aaO; dies voraussetzend auch Rüffer aaO Rn. 5 und 6 m.w.N.[↩]
- OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2010 aaO; Leverenz aaO Rn.19 m.w.N.; Grimm aaO; Rüffer aaO Rn. 6 m.w.N.; Jannsen aaO m.w.N.; Kloth aaO; Knappmann aaO m.w.N.[↩]
- Leverenz aaO Rn.20 m.w.N.[↩]
- OLG Düsseldorf VersR 1997, 174, 175; VersR 1994, 1218 ff.; OLG Hamm VersR 1982, 946[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.10.2001 – IV ZR 205/00, VersR 2001, 1547 unter II 1 m.w.N.[↩]
- so auch Grimm aaO m.w.N.[↩]