Ein Mitarbeiter einer Partei (hier: der Leiter der Sachverständigenabteilung) ist kein Sachverständiger im Rahmen des Sachverständigenverfahrens nach A.2.18 AKB.
Das ergibt für den Bundesgerichtshof die Auslegung von A.2.18.1 und A.2.18.2 AKB.
Welche Anforderungen an die Person und die Sachkunde eines Sachverständigen zu stellen sind, richtet sich nach den zugrunde liegenden AKB.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Bundesgerichtshofsrechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch seine Interessen an1.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen2. Diesem entnimmt der Versicherungsnehmer, dass nach A.2.18.1 AKB bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens ein Sachverständigenausschuss entscheidet und dieser Ausschuss nach A.2.18.2 Satz 1 AKB gebildet wird, indem Versicherungsnehmer und Versicherer je einen „Kraftfahrzeugsachverständigen“ benennen. Im Übrigen sind in den Versicherungsbedingungen keine Anforderungen an die Person und Sachkunde des Sachverständigen genannt. Der Versicherungsnehmer kann aus dem Wortlaut nur ersehen, dass es sich bei dem Ausschussmitglied um einen Kraftfahrzeugsachverständigen handeln muss, maßgeblich also der technische Sachverstand der Person ist. Es erscheint daher zweifelhaft, ob er – wie die Revision meint – bereits dem Wortlaut der Regelung eine Einschränkung dahin entnehmen wird, dass ein Mitarbeiter des Versicherers nicht als Ausschussmitglied benannt werden kann, weil nach dem üblichen Verständnis des Begriffs ein Sachverständiger seine „gutachterlichen Leistungen persönlich, unabhängig, unparteiisch, gewissenhaft und weisungsfrei erbringt“. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kennt diese Definition nicht. Mit dem Begriff „Kraftfahrzeugsachverständiger“ wird er lediglich ein besonderes Fachwissen verbinden. Da jede Partei einen Sachverständigen zu benennen hat, wird er dem Wortlaut der Klausel nicht entnehmen, dass der jeweils benannte Sachverständige neutral sein muss.
Dem mit der Regelung verfolgten Sinn und Zweck – soweit diese für den Versicherungsnehmer erkennbar sind3 wird er aber entnehmen, dass ein Mitarbeiter einer der Parteien, also auch ein Mitarbeiter des Versicherers, nicht als Sachverständiger auftreten kann. Mit dem Sachverständigenverfahren wird ersichtlich bezweckt, dass die Schadenregulierung möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe erledigt wird und kein – möglicherweise langwieriger und kostspieliger – Streit vor den staatlichen Gerichten um die oftmals komplizierte Schadenfeststellung ausgetragen wird4. Damit ist es unvereinbar, dass der Versicherer oder der Versicherungsnehmer einen Mitarbeiter benennt. Für den Versicherungsnehmer erkennbar soll durch die Beteiligung von Sachverständigen eine dritte, durch Sachkunde ausgewiesene Meinung, jenseits der Ansichten der Parteien, den Schaden bewerten. Das Ziel, die Hinzuziehung eines sach- und fachkundigen Dritten, wird durch die Auswahl eines Mitarbeiters einer Partei als Sachverständigen nicht erreicht. Auf den Einwand des Versicherers, der von ihm benannte Leiter seiner Sachverständigenabteilung sei bei der Erstellung von Sachverständigengutachten weisungsfrei, kommt es nicht an. Der Leiter der Sachverständigenabteilung ist vielmehr schon deshalb kein Sachverständiger im Sinne der AKB, weil es sich bei dem Mitarbeiter einer Partei nicht um einen Dritten im oben genannten Sinne handelt5.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass beide Parteien einen Sachverständigen stellen müssen und nach A.2.18.3 AKB ein weiterer Kraftfahrzeugsachverständiger als Obmann entscheidet, soweit sich der Ausschuss nicht einigt. Diesem Regelungszusammenhang entnimmt der Versicherungsnehmer gerade das Gewicht, das der Bewertung durch Dritte beigemessen wird. Der Versicherungsnehmer wird aus dem Umstand, dass beide Parteien einen Sachverständigen zu benennen haben, zwar schließen, dass der jeweils Benannte in einem gewissen Näheverhältnis zum Benennenden stehen kann6. Keinesfalls wird er aber zu der Ansicht gelangen, dass er in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis stehen darf, denn damit ist er nicht mehr außerhalb der Parteien stehender Dritter.
Mit dem Leiter seiner Sachverständigenabteilung hat der Versicherung damit innerhalb der Zweiwochenfrist keinen Sachverständigen im Sinne der maßgeblichen AKB benannt. Dies hat zur Folge, dass das Bestimmungsrecht nach Ablauf der Frist auf den Versicherungsnehmer übergegangen und das in den AKB vorgesehene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.
Die im Sachverständigenverfahren getroffenen Feststellungen sind nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG verbindlich. Der Versicherung muss sich wegen der Schadenhöhe am Ergebnis des Sachverständigengutachtens festhalten lassen.
Grundsätzlich sind die Parteien an das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens gebunden. Diese Bindung kann nur durch den Nachweis einer erheblichen und offenbaren Unrichtigkeit im Rahmen eines Rechtsstreits aufgehoben werden. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt dann vor, wenn sie sich dem unbefangenen, sachkundigen Beurteiler aufdrängt, wenn auch möglicherwiese erst nach eingehender Prüfung; daran sind strenge Anforderungen zu stellen, weil sonst der von den Parteien verfolgte Zweck in Frage gestellt würde, den Schaden möglichst rasch und kostengünstig zu regulieren7. Soweit der Versicherung in den Vorinstanzen die Schadenhöhe bestritten hat, genügte dies den genannten hohen Anforderungen nicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2014 – IV ZR 281/14
- vgl. zum Maßstab der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen BGH, Urteil vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; st. Rspr.[↩]
- BGH, Urteil vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.[↩]
- BGH, Urteil vom 01.04.1987 IVa ZR 139/85, VersR 1987, 601 unter 1 b[↩]
- vgl. ebenso zur Frage der Befangenheit eines Sachverständigen: Volze, VersR 2006, 627, 630 unter – V 7 c; ähnlich Voit in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 84 Rn. 16; MünchKomm-VVG/Halbach, § 84 Rn. 28, 30; vgl. auch Langheid in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 84 Rn. 27, 29; Rüffer in Rüffer/Halbach/Schimikowski, HK-VVG 2. Aufl. § 84 Rn. 14; Schwintowski/Brömmelmeyer/Kloth/Neuhaus, PK-VersR 2. Aufl. § 84 Rn. 21 ff., 24; Schmidt-Kessel in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 84 Rn. 25, 28[↩]
- Schwintowski/Brömmelmeyer/Kloth/Neuhaus, PK-VersR 2. Aufl. § 84 Rn. 23[↩]
- BGH, Urteil vom 30.11.1977 – IV ZR 42/75, VersR 1978, 121 unter – III 3[↩]