Eine Hervorhebung der Belehrung über das Widerspruchsrecht nach Abschluss eines Versicherungsvertrags durch Kursivdruck kann den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a. F. genügen.
Im hier vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Rechtsstreit ist der Vertrag über eine Kapitallebensversicherung nach dem sog. „Policenmodell“ zustande gekommen. Anwendbar ist mithin § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a.F. Die Versicherungsnehmerin hat kein Widerspruchsrecht gem. § 5 a Abs. 1 VVG a.F. mehr für den Versicherungsvertrag aus dem Jahr 2002, weil ihr unstreitig alle erforderlichen Unterlagen samt Widerspruchsbelehrung mit dem Versicherungsschein vollständig übersandt worden sind, § 314 S. 1 ZPO. Der Fristbeginn ist weder unzutreffend bezeichnet, weil der Fristlauf ab Zugang des Schreibens ausreichend ist, noch kann die Versicherungsnehmerin Rechte herleiten, weil die Belehrung drucktechnisch nicht ausreichend gewesen sei. Die Belehrung in dem Versicherungsübersendungsschreiben war ausreichend. Die in Kursivdruck gehaltene Widerspruchsbelehrung war in der optischen Gestaltung ausreichend.
Es ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles, ob eine Belehrung gem. § 5 a VVG a.F. optisch drucktechnisch ausreichend gestaltet war. Zwar kann auch eine inmitten eines 8-seitigen Konvoluts aus Versicherungsschein, Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Besonderen Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformationen und sonstigen diversen Hinweisen „versteckte“ Belehrung lediglich mit der Gestaltung in Form eines – in umfangreichen Versicherungsunterlagen auch an vielen anderen Stellen häufig verwendeten – Kursivdrucks nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben sein1. Dieser Fall, in dem eine hervorgehobene Belehrung beim Durchblättern bei einer Vielzahl von gleichen Hervorhebungen optisch untergeht, ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Zu Recht weist die Versicherungsgesellschaft darauf hin, dass im Vertrag aus dem Jahr 2002 die Belehrung sofort im für einen Versicherungsnehmer zentralen Dokument, der Übersendung des Versicherungsscheins mit Policenübersendungsschreiben, abgedruckt war. Das Versicherungspolicenübersendungsschreiben aus dem Jahr 2002 umfasst, neben der Versicherungspolice selbst, lediglich 1 Seite, und der einzige im Fließtext komplett durchgehende Kursivdruck wird für die Widerspruchsbelehrung verwendet. Die Widerspruchsbelehrung ist leicht sichtbar und im unteren Drittel des einseitigen Versicherungsübersendungsschreibens, das mit der Versicherungspolice jeweils versandt und verbunden war, gut aufzufinden.
Die drucktechnisch gut sichtbare Belehrung im Vertrag aus dem Jahr 2002 ist mit den Entscheidungen in der Rechtsprechung nicht vergleichbar, in denen Belehrungen inmitten von 8- oder 20-seitigem Kleingedruckten (Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformationen, sonstigen Hinweisen u.Ä.) zwar mit in den Unterlagen häufig verwendetem Sonderdruck hervorgehoben, indes durch die Platzierung oder die sonstige Gestaltung unauffällig angeordnet und versteckt wurden. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kann in der hier im Rechtsstreit vorgelegten Belehrung nur von einer drucktechnischen Widerspruchsbelehrung gesprochen werden, die im Vergleich zu sonstigen Widerspruchsbelehrungen ausreichend ins Auge springt. Die Widerspruchsbelehrung war somit drucktechnisch ausreichend gestaltet und auch der Fristbeginn und die aufgeworfene Frage zum Adressaten waren für einen Versicherungsnehmer ausreichend ersichtlich2.
Nach § 5 a Abs. 1 VVG a.F. („Policenmodell“) wurde folglich der schwebend unwirksame Vertrag mit Ablauf der Widerspruchsfrist endgültig rückwirkend wirksam. Die Versicherungsnehmerin hat die Widerspruchsbelehrung zu dem Lebensversicherungsvertrag, die inhaltlich ausreichend war, erhalten und versucht über eine behauptete unzureichende textliche Hervorhebung, die sich nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Überzeugung des Oberlandesgerichts nicht ergeben hat, ein „ewiges Widerspruchsrecht“ zu erlangen. Das Oberlandesgericht ist insbesondere nach dem persönlichen Eindruck der Zeugin der Überzeugung, dass die drucktechnische Hervorhebung für den Versicherungsvertrag der Versicherungsnehmerin aus dem Jahr 2002 so gestaltet war wie in dem vorgelegten Muster. Die Reproduktion des klägerischen Policenübersendungsschreibens zu dem Versicherungsschein ist im nachträglichen (Reproduktions-) Ausdruck lediglich ohne drucktechnische Hervorhebung, was auf die EDV-technische und nicht originalgetreue Archivierung von Textdokumenten bei der Versicherungsgesellschaft zurückzuführen ist.
Die Regelung des § 5 a Abs. 1 VVG a.F. ist unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden3.
Im Übrigen scheiterte die Rechtsausübung hinsichtlich eines etwaigen Anspruchs der Verischerungsnehmerin wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus Treu und Glauben, § 242 BGB.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt rechtsmissbräuchliches Verhalten als Fallgruppe treuwidrigen Verhaltens gem. § 242 BGB vor, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen4.
So liegt der Fall hier. Die Versicherungsnehmerin verhielt sich treuwidrig, indem sie nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Versicherungsgesellschaft, die auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages unter anderem Rückzahlung aller Prämien verlangte.
Die Versicherungsnehmerin hat auch keinen im Wege des Hilfsanspruchs und mit der Stufenklage gem. § 254 ZPO geltend gemachten Anspruch auf Auskunft und Zahlung weiterer Auszahlungsbeträge.
Die Versicherungsgesellschaft hat unstreitig bereits mehr als die Hälfte des Rückkaufswertes des auf Grundlage der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals aus dem Versicherungsvertrag bezahlt.
Die Versicherungsnehmerin hat insgesamt Prämien in Höhe von 24.593, 80 EUR während der gesamten Versicherungszeit an die Versicherungsgesellschaft geleistet. Die Versicherungsgesellschaft hat der Versicherungsnehmerin einen Rückkaufswert, einschließlich Überschussbeteiligung, in Höhe von 27.036, 92 EUR gewährt. Stornokosten wurden entgegen der Auffassung der Versicherungsnehmerin nicht einbehalten. Ein weitergehender Auskunfts, Rechnungslegungs- und Zahlungsanspruch, den die Versicherungsnehmerin hilfsweise weiterverfolgt (Hilfsanträge), besteht aus Rechtsgründen nicht.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 7 U 256/13
- BGH, Urteil vom 09.01.2013 – IV ZR 197/11; BGH VersR 2004, 497 unter 3 d zu § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a.F.; BGH, Urteil vom 08.05.1967 – II ZR 17/65; BGHZ 48, 7, 9; OLG Karlsruhe, VersR 2010, 1448 ff.[↩]
- vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2012 – 7 U 194/12; LG Stuttgart, Urteil vom 15.06.2012 – 22 O 597/11[↩]
- BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13[↩]
- BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13 Rn. 32 ff.; BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 88/13; BGH, Urteil vom 12.11.2008 – XII ZR 134/04, Rn. 41 – jeweils m.w.N.[↩]