Der geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen, wenn er infolge des Widerspruchs des Versicherungsnehmers nicht wirksam zustande gekommen ist. Der Widerspruch war vorliegend – ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist – rechtzeitig.
Vorliegend belehrte die Versicherungsgesellschaft den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die auf der Rückseite des Versicherungsscheins enthaltene Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht drucktechnisch deutlich gestaltet. Sie ist – anders als die allgemeine Überschrift „Widerspruchsrecht“ – nicht durch Fettdruck und auch nicht in sonstiger Weise vom übrigen Text abgehoben. Dadurch, dass die anschließende Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5 VVG a.F. fettgedruckt ist, wird wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat – von der (nicht hervorgehobenen) Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. abgelenkt.
Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.12 20131. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 07.05.20142 entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer – wie hier – nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt nicht in Betracht3.
Dabei hat der Versicherungsnehmer das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Versicherungsgesellschaft schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte4.
Ob der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist5, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die – hier fehlende – drucktechnisch deutliche Form wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. ausdrücklich gefordert und ist eine wesentliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung.
Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot6.
Der nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entsteht erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte der Versicherungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB7.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. November 2015 – IV ZR 513/14
- EuGH, VersR 2014, 225[↩]
- BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 1734[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014 aaO Rn. 37 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014 aaO Rn. 39 m.w.N.[↩]
- so Heyers, NJW 2014, 2619, 2621[↩]
- dazu im Einzelnen BGH, Urteil vom 07.05.2014 aaO Rn. 4244[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.04.2015 – IV ZR 103/15, VersR 2015, 700 Rn.19 ff.[↩]