Ausschluss des Haftpflicht-Versicherungsschutzes beim Baumfällen

Der Ausschluss des Versicherungsschutzes für Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) für die Privathaftpflichtversicherung setzt ein Verhalten voraus, das auf längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten1.

Allein das Fällen dreier großer Bäume innerhalb eines Tages ist keine solche Beschäftigung.

In der Privathaftpflichtversicherung verspricht der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz unter anderem für den Fall, dass Letzterer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das die Beschädigung von Sachen zur Folge hat, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird (vgl. § 1 Nr. 1 AHB; § 100 VVG).

Der Versicherer kann den Versicherungsschutz auch nicht deshalb verweigern, weil sich die Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung im Sinne des Risikoausschlusses aus Ziffer A. I. BBR verwirklicht hätten. Die Voraussetzungen dieser Ausschlussklausel sind nicht bereits dann erfüllt, wenn sich die die Haftpflicht auslösende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich darstellt. Der Leistungsausschluss ist vielmehr auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, in denen die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten vorgenommen worden ist, die ihrerseits „ungewöhnlich und gefährlich“ ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt2.

Das ergibt sich aus der Risikobeschreibung in A. I. BBR. Darin werden die von der Versicherung umfassten Gefahren durch Aufzählung negativer Komponenten des Haftpflichtversicherungsrisikos beschrieben3. Der Schutzbereich der Haftpflichtversicherung wird durch die Wendung „als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens“, die für sich genommen keine Einschränkung enthält4, zunächst erkennbar weit abgesteckt, sodann aber durch die Ausnahmetatbestände nicht nur erläutert, sondern zugleich begrenzt5. Mit den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes und einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen werden bestimmte Gefahrenbereiche vom Versicherungsschutz ausgenommen und so ein Rahmen für nicht versicherte Handlungen definiert. Das dient insbesondere der Abgrenzung des Schutzbereichs der Privathaftpflichtversicherung zu anderen Haftpflichtversicherungen und soll erläutern, für welche Lebensbereiche es nicht mehr gerechtfertigt ist, den Versicherungsnehmer als von der Privathaftpflichtversicherung geschützte „Privatperson“ anzusehen. Gleiches gilt für den Ausschlussgrund der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung. Griffe die Ausschlussklausel hingegen schon dann ein, wenn die den Haftpflichtanspruch auslösende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist, wäre der grundsätzlich auch grob fahrlässige Schadenverursachung abdeckende Versicherungsschutz zumindest teilweise wertlos6.

Damit stellen die Baumfällarbeiten nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aber keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar.

Aus dem Vergleich des Begriffs der „ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung“ mit den übrigen im selben Satzeinschub in A. I. BBR enthaltenen Ausnahmen folgt, dass mit der „Beschäftigung“ nicht lediglich eine einzelne Handlung, sondern ein Gefahrenbereich gemeint ist, also eine allgemeine, in gewissen Zeitabständen wiederholte oder wiederkehrende Betätigung als Rahmen für die konkrete schadenstiftende Handlung vorausgesetzt wird. Die in A. I. BBR aufgezählten Ausnahmetatbestände führen dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis es bei der Klauselauslegung ankommt, vor Augen, dass nur solche Bereiche vom Schutz der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen werden, denen er sich über eine gewisse Dauer widmet. Nicht nur der Beruf als meist über viele Jahre hinweg dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende Tätigkeit , sondern auch ein Betrieb, ein Dienst oder Amt, schließlich auch ein Ehrenamt oder die verantwortliche Betätigung in Vereinigungen aller Art werden nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mit der Vorstellung verbunden, dass solche Tätigkeiten in der Regel über einen längeren Zeitraum hinweg die Lebensumstände des Betroffenen prägen7.

Das führt den Versicherungsnehmer zu der Annahme, auch mit einer ungewöhnlichen und gefährlichen „Beschäftigung“ sei ein Verhalten angesprochen, das ähnlich wie die Ausübung eines Berufes oder Amtes über eine nicht nur kurze Zeit fortdauert, sondern auf eine längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten8. Für diesen Bereich will der Versicherer im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung nicht einstehen. Die Beschäftigung muss ein Ausmaß annehmen, das es rechtfertigt, den Versicherungsnehmer mit Blick auf dieses eigenständige Betätigungsfeld nicht mehr als von der Versicherung geschützte Privatperson anzusehen. In diesem Verständnis wird der Versicherungsnehmer dadurch bestärkt, dass die Klausel nicht von einer ungewöhnlichen und gefährlichen „Handlung“, sondern von einer „Beschäftigung“ spricht, was dem Wortsinne nach auf etwas zielt, wofür der Versicherungsnehmer nicht nur punktuell, sondern wiederholt Arbeits- oder Freizeit aufwendet9.

Umgekehrt erkennt der Versicherungsnehmer, dass es auf die Ungewöhnlichkeit oder Gefährlichkeit der schadenstiftenden Handlung selbst nicht ankommt. Entspringt sie einem vom Versicherungsschutz generell ausgenommenen Gefahrenbereich, etwa der beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers oder einer ungewöhnlich und gefährlichen Beschäftigung, so greift der Leistungsausschluss unabhängig davon, ob auch das unmittelbar schadenverursachende Verhalten als ungewöhnlich und gefährlich anzusehen ist.

Die Baumfällarbeiten erfolgten im hier entschiedenen Fall nicht im Rahmen einer solchen ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung.

Soweit der Versicherungsnehmer in der Vergangenheit auf dem elterlichen Grundstück bereits des Öfteren Gartenarbeiten verrichtet und mitunter auch Bäume beschnitten oder gefällt hat, ist dadurch eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung nicht belegt. Gartenarbeiten auch an Bäumen zählen in der Regel zu den normalen Handlungen von Privatleuten. Dafür, dass bereits von früheren Baumfällarbeiten des Klägers besondere Gefahren ausgegangen wären, ist nichts ersichtlich.

Der Bundesgerichtshof folgt auch nicht der Argumentation, der Versicherungsnehmer habe dadurch, dass er am 9.02.2009 nacheinander drei Bäume gefällt hat, bereits eine Tätigkeit von ausreichend langer Dauer entfaltet, um eine Beschäftigung im Sinne der Ausschlussklausel anzunehmen. Das Berufungsgericht hat lediglich die Einzelakte eines einmaligen, insgesamt auf wenige Stunden beschränkten, punktuellen Geschehens verknüpft10, ohne damit einen vom Versicherungsnehmer geschaffenen besonderen Gefahrenbereich darzulegen, der darauf angelegt war, über einen längeren, d.h. zumindest mehrere Wochen dauernden Zeitraum die mit dem Fällen großer Bäume verbundenen Gefahrenlagen mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten zu lassen11. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Versicherungsnehmer bei den Baumfallarbeiten planvoll vorgegangen ist. Zwar hat die Rechtsprechung mehrfach eine „Beschäftigung“ im Sinne der Ausschlussklausel bei spontanen oder impulsiven Handlungen, etwa der Begehung von Straftaten oder einer Flucht vor der Polizei, zu Recht verneint12. Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluss, dass eine „Beschäftigung“ schon dann vorliegt, wenn sich der Versicherungsnehmer nicht spontan oder impulsiv, sondern planvoll verhält. Vielmehr vermag auch ein planvolles Vorgehen des Versicherungsnehmers die aufgezeigten Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Beschäftigung nicht zu erfüllen oder zu ersetzen, solange es sich wie hier auf ein punktuelles Geschehen von wenigen Stunden beschränkt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. November 2011 – IV ZR 115/10

  1. Fortführung von BGH, Urteile vom 17.01.1996 – IV ZR 86/95, VersR 1996, 495 unter II 2 a; vom 25.06.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142, 146 f.; und vom 10.03.2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004, 591 unter 3 a[]
  2. BGH, Urteile vom 17.01.1996 IV ZR 86/95, VersR 1996, 495 unter II 2 a; vom 25.06.1997 IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142, 146 unter II; vom 10.03.2004 IV ZR 169/03, VersR 2004, 591 unter 3 a, jeweils m.w.N.[]
  3. BGH, Urteil vom 11.12.1980 IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145, 148 unter I[]
  4. vgl. dazu BGH, Urteil vom 25.06.1997 aaO unter I 2[]
  5. BGH, Urteil vom 10.03.2004 aaO unter 1[]
  6. BGH, Urteil vom 17.01.1996 aaO[]
  7. vgl. beispielweise für den Begriff des Berufs BGH, Urteil vom 11.12.1980 IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145, 151 f. unter II 2 d[]
  8. vgl. dazu OLG Hamburg VersR 1991, 92 f.; OLG Düsseldorf VersR 1994, 850 f.; ÖOGH VersR 1979, 69[]
  9. vgl. OLG Hamm r+s 2005, 334 f.[]
  10. vgl. dazu OLG Hamm r+s 2000, 12 f.; OLG Koblenz VersR 1996, 444[]
  11. vgl. zu einem ähnlichen Fall: OLG Karlsruhe VersR 1988, 1175[]
  12. OLG Düsseldorf VersR 1994, 850 f.; r+s 1997, 11; OLG Koblenz VersR 1996, 444; OLG Hamburg VersR 1991, 92 f.; OLG Saarbrücken VersR 2002, 351 f.; OLG Frankfurt am Main VersR 1996, 964, 965; a.A. OLG Jena VersR 2006, 1064 f.[]