Ein Leistungsausschluss, demzufolge sich der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden „durch Schwamm“ erstreckt, gilt für alle Arten von Hausfäulepilzen und erfasst gerade auch den Schwammbefall als Folge eines versicherten Leitungswasseraustritts. In dieser Auslegung hält der Leistungsausschluss (Schwammschadenklausel) der Inhaltskontrolle stand.
Eine – dem Versicherungsnehmer günstige – teleologische Reduktion der Schwammschadenklausel findet im Klauselwortlaut, wonach „Schäden durch Schwamm“ vom Versicherungsschutz ausgenommen sein sollen, keine Stütze. Weder der Umgangs- noch der Rechtssprache lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit dem Wort „Schwamm“ allein der Echte Hausschwamm bezeichnet werden soll.
In der Umgangssprache werden mit dem Begriff „Schwamm“ im Zusammenhang mit Gebäuden pflanzliche Holzzerstörer bezeichnet, bei denen es sich vorwiegend um Pilze sogenannte Bauholz- oder Hausfäulepilze handelt. Die bekanntesten Arten sind der Echte Hausschwamm, der Braune Kellerschwamm, der Porenschwamm und verschiedene Blattlinge1. Daneben gibt es zahlreiche weitere Arten.
In der Rechtssprache findet sich keine Definition des Begriffs „Schwamm“. Allerdings enthalten die Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden gegen Schäden durch Schwamm und Hausbockkäfer2 eine katalogartige Aufzählung von pflanzlichen Schädlingen, welche dem dortigen Versicherungsschutz gegen Schwammschäden unterfallen sollen.
Danach zählen zu den dort bedingungsgemäßen Schwämmen: der Echte Hausschwamm, der Kellerschwamm, der Porenschwamm und der Blättling3.
Der Klauselwortlaut „Schäden durch Schwamm“ gibt damit keinen Anhalt für eine Beschränkung auf einzelne oder wenige besonders gefährliche Arten von Hausfäulepilzen. Soweit Sblowski4 anregt, für die Auslegung unter anderem des § 9 Nr. 4 Buchst. e VGB 88 den vorgenannten Katalog der SchHB 85 heranzuziehen, verkennt er, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Wohngebäudeversicherung dieses anderweitige Bedingungswerk weder kennt noch kennen muss, es deshalb auch nicht zum Verständnis des Leistungsausschlusses für Schwammschäden heranzieht5.
Das Landgericht Detmold6 hat deshalb angenommen, „Schwamm“ bezeichne alle holzzerstörenden Pilze7.
Diese Auffassung trifft zu.
Eine teleologische Reduktion der Hausschwammklausel steht dagegen in Widerspruch zu den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen aufgestellt hat. Sie sind nicht gesetzesähnlich, sondern so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss8. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Er wird sich in erster Linie am Bedingungswortlaut orientieren. Für eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete Auslegung ist mithin nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte9. Die dem Versicherungsnehmer typischerweise unbekannte Entstehungsgeschichte von Versicherungsbedingungen hat bei ihrer Auslegung außer Betracht zu bleiben; auch versicherungswirtschaftliche Überlegungen können allenfalls insoweit Berücksichtigung finden, wie sie sich dem Versicherungsnehmer aus dem Bedingungswortlaut unmittelbar erschließen10.
Für die Auslegung einer Risikoausschlussklausel gilt nichts anderes. Zwar sind solche Klauseln grundsätzlich eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert11. Entgegen der Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts12 und des Oberlandesgerichts Koblenz13 kommt es aber auch in diesem Rahmen für die Ermittlung des Zwecks der Ausschlussklausel auf deren dem Versicherungsnehmer aus dem Klauselwortlaut nicht erschließbare Entstehungsgeschichte oder zugrunde liegende wirtschaftliche Erwägungen des Versicherers selbst dann nicht an, wenn deren Berücksichtigung zu einem dem Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führen könnte14. Denn auch die für Risikoausschlussklauseln geltende Auslegungsregel beruht weder auf einer (die Entstehungsgeschichte einbeziehenden) „gesetzesähnlichen“ Auslegung noch setzt sie eine solche voraus. Vielmehr erfährt diese Regel gerade durch eine Auslegung, die auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abstellt, Rechtfertigung und Sinn15. Es besteht, wie der Bundesgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat16, kein Anlass, insoweit für die Auslegung von Risikoausschlussklauseln zur gesetzesmäßigen Auslegung zurückzukehren.
Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, weshalb der Versicherer, der zu unterschiedlichen Tarifen unterschiedlich umfangreichen Versicherungsschutz gegen die Folgen von Leitungswasserschäden anbietet, aus Rechtsgründen darauf beschränkt sein sollte, vom Versicherungsschutz allein diejenigen Schäden auszunehmen, die vom zerstörerischsten Hausfäulepilz verursacht werden. Soweit sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Motiv der Schwammschadenklausel angesichts des knappen Wortlauts überhaupt erschließt, wird er allenfalls erkennen, dass der Versicherer sich dagegen schützen will, dass über die bloße Wasserkontamination des Gebäudes hinaus unabsehbare und mithin schwer kalkulierbare Folgeschäden durch einen sich vermehrenden und damit den Schaden unter Umständen exponentiell ausweitenden pflanzlichen Schädling eintreten. Es kommt hinzu, dass solche Schäden häufig erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung zum Versicherungsfall entdeckt werden, was wie auch hier zu Beweisschwierigkeiten bei der Frage führt, ob das Schädlingswachstum adäquate Folge eines Leitungswasseraustritts oder anderweitiger Feuchtigkeit war. Auch vor dieser schwer kalkulierbaren Schadenursächlichkeit möchte sich der Versicherer durch den Leistungsausschluss schützen17. Zudem belegt der vorliegende Fall, dass die von anderen Hausfäulepilzen hier dem Braunen Kellerschwamm verursachten Schäden ebenfalls erhebliche und schwer zu prognostizierende Ausmaße erreichen können. Die genannten Erwägungen treffen deshalb auf sämtliche Hausfäulepilze und nicht allein auf den Echten Hausschwamm zu. Der Versicherungsnehmer hat mithin keinen Anlass anzunehmen, der Leistungsausschluss sei auf den Echten Hausschwamm beschränkt.
Die Schwammschadenklausel der Nr.06.2/6.02.5 WGB F 01/03 (entsprechend § 9 Abs. 4 Buchst. e VGB 88) ist auch nicht dahin einschränkend auszulegen, dass ein Schwammbefall, der erst durch den bedingungsgemäßen Leitungswasseraustritt verursacht ist, nicht von dem Leistungsausschluss erfasst sein soll.
Das ergibt sich aus zwei Erwägungen.
Zum einen kennen weder die VGB 88 noch die hier in Rede stehenden WGB F 01/03 einen eigenständigen Versicherungsfall, unter den ein originärer Schwammbefall fiele. Für die Leistungspflicht des Versicherers kann ein Schwammbefall des versicherten Gebäudes mithin immer nur dann bedeutsam sein, wenn er als Folgeschaden eines Versicherungsfalles, insbesondere des Versicherungsfalles „Leitungswasserschaden“ eintritt. Wollte man die Schwammschadenklausel nicht gerade auf solche Folgen eines Leitungswasserschadens anwenden, wäre der Leistungsausschluss überflüssig, weil der Versicherer einen Ersatz für anderweitige Schwammschäden nirgends verspricht.
Zum anderen macht der Bedingungswortlaut („Der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf …“) deutlich, dass Schwammschäden losgelöst von der Ursache ihrer Entstehung in keinem Falle versichert sein sollen.
Soweit das in der Rechtsprechung früher anders gesehen worden ist, beruhte dies auf einem anderen Bedingungswortlaut in den VGB 62. Deren Schwammschadenklausel in § 4 Abs. 3 Buchst. f wurde von Teilen der Rechtsprechung als unklar angesehen18, weil sie einerseits die Klarstellung „ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen“ noch nicht enthielt, andererseits aber die nachstehende Ausschlussklausel für Schäden durch Brand, Blitzschlag oder Explosion (§ 4 Abs. 3 Buchst. g VGB 62) mit dem Zusatz versehen war: „… auch dann nicht, wenn der Brand oder die Explosion die Folge von ausgetretenem Leitungswasser ist“. Das konnte beim Versicherungsnehmer die Vorstellung hervorrufen, im Umkehrschluss aus Buchstabe g solle bei der Schwammschadenklausel des Buchstaben f anderes gelten19.
Diese Bedenken treffen auf die hier in Rede stehende, seit den VGB 88 verwendete Neufassung der Schwammschadenklausel nicht mehr zu, zumal nunmehr sowohl in § 9 Nr. 3 VGB 88 (betreffend u.a. Brand, Blitzschlag und Explosion; im Kern entsprechend hier Nr.05.6 WGB F 01/03) als auch in § 9 Nr. 4 VGB 88 (Nr.06.2 WGB F 01/03) einheitlich die Formulierung „ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen“ gebraucht wird. Eine Irreführung des Versicherungsnehmers darüber, dass Schwamm auch als Leitungswasserfolgeschaden nicht vom Versicherungsschutz erfasst sein soll, ist damit nicht mehr zu besorgen20.
Die Schwammschadenklausel erweist sich bei der gebotenen uneingeschränkten Auslegung auch im Übrigen weder als unklar i.S. von § 305c Abs. 2 BGB noch als intransparent i.S. von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Gerade in ihrer Kürze bezeichnet sie alle Arten von Hausfäulepilzen, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als „Schwamm“ bezeichnet werden21.
In der dargelegten Auslegung hält die Schwammschadenklausel auch im Übrigen einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB (früher §§ 9 ff. AGBG) stand.
§ 307 Abs. 3 BGB (früher § 8 AGBG) hindert eine Inhaltskontrolle nach den §§ 307 bis 309 BGB (früher §§ 9 bis 11 AGBG) nicht, weil die Klausel nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Zweck das Hauptleistungsversprechen des Versicherers, Schutz gegen Leitungswasserschäden zu gewähren, lediglich beschränkt, indem sie aus dem Kreis der versicherten, also an sich entschädigungspflichtigen Leitungswasserfolgeschäden die durch Schwamm verursachten Schäden ausschließt. Solche lediglich leistungsbeschränkenden Klauseln sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kontrollfähig22.
Die Schwammschadenklausel führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers i.S. von § 307 Abs. 1 und 2 BGB.
Ein gesetzliches Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), dem der Leistungsausschluss zuwider liefe, findet sich nicht. Das Versicherungsvertragsgesetz enthält lediglich für die Gebäudefeuerversicherung, nicht aber die Leitungswasserversicherung besondere Bestimmungen in den §§ 142 bis 149 VVG23. Wenngleich der Leitungswasserversicherungsschutz bezweckt, dem Versicherungsnehmer einen Ausgleich für durch Leitungswasser verursachte Schäden am versicherten Gebäude zu gewähren, ist der Versicherer nicht gehindert, im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidung den Umfang des Schadenausgleichs abhängig von der Höhe der geforderten Prämien in seinen Versicherungsbedingungen zu gestalten. Er kann einzelne, besonders schwer kalkulierbare Schäden vom Versicherungsschutz ausnehmen und wie dies beispielsweise auch bei der Neuwertversicherung von Gebäuden gegen Schäden durch Schwamm und Hausbockkäfer geschieht zum Gegenstand eines eigenständigen Versicherungsprodukts machen. Einen Rechtssatz, wonach in der Wohngebäudeversicherung in jedem Falle sämtliche Folgeschäden eines Leitungswasserschadens vom Versicherungsschutz umfasst sein müssten, gibt es nicht.
Auch der Vertragszweck wird durch die Schwammschadenklausel nicht i.S. von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gefährdet. Das käme allenfalls dann in Betracht, wenn Schwammschäden regelmäßige oder zumindest sehr häufige, zwangsläufige und kennzeichnende Folge des Austritts von Leitungswasser wären, so dass sich der durchschnittliche Versicherungsnehmer mit dem Abschluss einer Leitungswasserversicherung vorwiegend vor solchen Schwammschäden schützen, der Versicherer sich jedoch mit der Ausschlussklausel von der Kardinalpflicht des Versicherungsvertrages, Leitungswasserschäden zu entschädigen, freizeichnen wollte. Dafür ist indes nichts ersichtlich und wird auch vom Kläger nichts geltend gemacht. Soweit er darauf verweist, Schwammschäden zählten zu den gravierendsten Folgen von Leitungswasserschäden und zögen besonders hohe Sanierungskosten nach sich, verbieten allein diese Umstände es dem Versicherer nicht, solche Schäden von der Leitungswasserversicherung auszunehmen und im Rahmen anderer Tarife gesonderten Versicherungsschutz dafür anzubieten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Juni 2012 – IV ZR 212/10
- vgl. dazu Sblowski, r+s 1992, 314[↩]
- SchHB 85 veröffentlicht in VerBAV 1986, 222[↩]
- Sblowski aaO[↩]
- Sblowski, aaO[↩]
- so auch Hoenicke in Veith/Gräfe, Versicherungsprozess 2. Aufl. § 2 Rn. 217 Fn. 421; Wälder in Halm/Engelbrecht/Krahe, Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht 3. Aufl. Kap. 9 Rn. 661[↩]
- LG Detmold, r+s 1992, 173 zu § 4 Nr. 3 Buchst. f VGB 62[↩]
- ebenso: Wälder aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.1993 IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 m.w.N. und ständig[↩]
- BGH, Urteil vom 02.10.1985 IVa ZR 184/83, VersR 1986, 177, 178[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 09.12.1987 – IVa ZR 151/86, VersR 1988, 282 unter II; vom 18.12.1991 – IV ZR 204/90, VersR 1992, 349 unter 3; vom 06.03.1996 – IV ZR 275/95, VersR 1996, 622 unter 3 b; vom 17.05.2000 – IV ZR 113/99, VersR 2000, 1090 unter 2 a[↩]
- BGH, Urteile vom 23.11.1994 – IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 17.03.1999 – IV ZR 89/98, NVersZ 1999, 394 unter 2 a; vom 17.05.2000 aaO unter 2 b[↩]
- ThürOLG, Urteil vom 02.09.2010 – 4 U 824/09[↩]
- OLG Koblenz, r+s 2007, 326[↩]
- BGH, Urteil vom 25.09.2002 – IV ZR 248/01, r+s 2003, 16 unter 2 a[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.03.1999 aaO[↩]
- BGH, Urteile vom 17.05.2000 aaO unter 2 c; vom 17.03.1999 aaO[↩]
- vgl. LG Detmold r+s 1997, 173 f.[↩]
- LG Berlin und KG r+s 1992, 312 f.; a.A. LG Detmold aaO[↩]
- so LG Berlin und KG aaO; vgl. auch Martin, SVR 3. Aufl. F IV 45[↩]
- so auch LG Köln, Urteil vom 22.10.2008; in VersR 2009, 1400 insoweit nicht vollständig abgedruckt; Wälder in Halm/Engelbrecht/Krahe, Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht 3. Aufl. Kap. 9 Rn. 667; Hoenicke in Veith/Gräfe, Versicherungsprozess 2. Aufl. § 2 Rn. 217; Sblowski, r+s 1992, 314, 315[↩]
- LG Detmold aaO[↩]
- BGH, Urteile vom 24.03.1999 – IV ZR 90/98, BGHZ 141, 137, 140 ff.; vom 23.06.1999 – IV ZR 136/98, BGHZ 142, 103, 109 ff.; vom 21.02.2001 – IV ZR 11/00, VersR 2001, 576 unter 1; vom 30.10.2002 – IV ZR 60/01, VersR 2002, 1546 unter II 1[↩]
- vgl. dazu Halbach in HKVVG, 2. Aufl. § 142 Rn. 1 und 4[↩]