Mit der Frage einer „unechten Verflechtung“ zwischen einem Versicherungsmakler und dem Partner des vermittelten Hauptvertrags (hier: Lebensversicherer), wenn der – mit der Konzernmutter des Versicherers langfristig kooperierende – Makler Fondspolicen und Anlagestrategien des Versicherers allgemein mit seinem Firmennamen versieht und die so gekennzeichneten Produkte besonders bewirbt, hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof zu befassen. Hintergrund dieser Frage ist, dass dem Versicherungsmakler bei bestehender Verflechtung ein Maklerlohnanspruch nach § 652 BGB nicht zusteht:
In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass dem Makler kein Vergütungsanspruch zusteht, wenn durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person oder Gesellschaft zustande kommt, mit der er, der Makler, gesellschaftsrechtlich oder auf andere Weise „verflochten“ ist. In Betracht kommt vorliegend nur ein Fall der so genannten unechten Verflechtung. Danach kann Makler auch derjenige nicht sein, der zum Vertragsgegner seines Kunden in einer solchen Beziehung steht, dass er sich im Falle eines Streits bei regelmäßigem Verlauf auf die Seite des Vertragsgegners stellen wird. Dass ein Interessenkonflikt allgemein besteht, reicht allerdings für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs nicht aus. Die Interessenbindung auf Seiten des als Makler Auftretenden muss vielmehr so institutionalisiert sein, das heißt durch Übernahme einer tendenziell dauerhaften Funktion gefestigt sein, dass sie ihn – unabhängig von seinem Verhalten im Einzelfall – als ungeeignet für die dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Tätigkeit des Maklers erscheinen lässt1. Nach diesen Grundsätzen ist insbesondere in dem Fall, dass ein Handelsvertreter im Sinne des § 84 HGB vorgibt, Makler zu sein, ein institutionalisierter Interessenkonflikt zu bejahen. Denn der Handelsvertreter ist aufgrund seines Vertrags mit dem Unternehmen verpflichtet, die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen, und kann deshalb nicht so, wie es ein Makler müsste, die Interessen des Kunden wahren2.
Ausgehend vom Zweck der Verflechtungsrechtsprechung, eine Gefährdung der dem Makler vom Auftraggeber übertragenen Wahrung seiner Interessen infolge der bei einer Verflechtung auf der Hand liegenden Interessenkollision zu verhindern3, ist die vorgenommene Würdigung des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.
Zwar kann die Möglichkeit des Maklers, im Rahmen des bestehenden Kooperationsverhältnisses mit der Lebensversicherung Antragsformulare des Versicherers zu verwenden und bei diesem einzureichen, für sich genommen einen institutionalisierten Interessenkonflikt nicht begründen. Die Verwendung solcher Formulare dient in erster Linie der organisatorischen Abwicklung beim Zustandekommen des Versicherungsvertrags, ohne dass daraus ein Schluss auf eine Interessenbindung gezogen werden könnte4. Indes ist Ausfluss des bestehenden Kooperationsverhältnisses nicht nur die Möglichkeit der Verwendung von Antragsformularen, die auf die Lebensversicherung hinweisen, und deren Weiterleitung. Im Hinblick auf die Handhabung des Maklers, Anlagestrategien und Fondspolicen dieses Versicherers allgemein mit seinem Namen zu versehen und dies in seinen Informationsbriefen als eigene konzeptionelle Leistung für die private Altersversorgung herauszustellen, die gesteigerte Gefahr einer Interessenbindung zu Lasten seines eigentlichen Auftraggebers. Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall sind sowohl die im Versicherungsantrag aufgeführten Anlagestrategien als auch die Fondspolice mit dem Firmenbestandteil des Maklers gekennzeichnet.
Auf dieser Grundlage ist deshalb die Annahme gerechtfertigt, dass diese so gekennzeichneten und werblich besonders herausgestellten Produkte für den Makler von ganz erheblichem wirtschaftlichem Interesse sind und für sie im Vordergrund stehen. Daher ist auch die tatrichterliche Würdigung, bei dieser Sachlage bestehe kein Interesse des Maklers daran, ihren Kunden Alternativprodukte anzubieten – was im Übrigen im konkreten Streitfall auch nicht geschehen ist , nicht zu beanstanden. Infolgedessen kann aber der Makler seine Stellung als (unabhängiger) Versicherungsmakler nicht mehr in hinreichendem Maße gerecht werden. Der Versicherungsmakler, der als treuhänderischer Sachwalter des von ihm betreuten Kunden bezeichnet wird, hat diesem gegenüber grundsätzlich umfassende Pflichten zu erfüllen5. Dazu gehört insbesondere, dem Kunden eine auf seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse zugeschnittene „passende“ Versicherung anzuempfehlen. Diese zentrale Beratungsleistung kann ein Versicherungsmakler aber nur erbringen, wenn er seine Empfehlungen auf eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern stützt beziehungsweise zu stützen vermag (so nunmehr ausdrücklich § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Demgegenüber kann bei der vorliegenden Konstellation nicht erwartet werden, dass die Interessen des Kunden, denen der Makler in erster Linie verpflichtet ist, ausreichende Beachtung finden. Zwar ist zuzugeben, dass der Kennzeichnung der vertriebenen Produkte der Lebensversicherung mit dem Namen des Maklers keine rechtlich bindende Verpflichtung zugrunde liegt, etwa nach Art eines Handelsvertreters im Interesse dieses Versicherungsunternehmens tätig zu werden. Dies ist aber auch nicht erforderlich, weil für die Annahme eines institutionalisierten Interessenkonflikts alle Arten rechtlicher oder wirtschaftlicher Bindungen von erheblichem Gewicht in Betracht kommen, die – wie hier – auf Dauer angelegt sind und von denen ein maßgeblicher Einfluss auf die Verhaltensweise der Handelnden ausgeht.
Insgesamt ist daher für den Bundesgerichtshof aufgrund des sich ergebenden Gesamtbildes und der vom Berufungsgericht festgestellten indiziellen Umstände nichts gegen dessen tatrichterliche Würdigung einzuwenden, dass der Versicherungsmakler im „Lager“ des Versicherers stehe und deshalb nach dem gesetzlichen Leitbild des Versicherungsmaklers die Interessen ihrer Auftraggeber nicht sachgemäß wahren könne. Die Verneinung eines Maklerlohnanspruchs wegen Vorliegens einer „unechten Verflechtung“ ist daher von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. März 2012 – III ZR 213/11
- vgl. z.B. BGH, Senatsurteile vom 19.02.2009 – III ZR 91/08, NJW 2009, 1809, Rn. 9, 12, und vom 12.03.1998 – III ZR 14/97, BGHZ 138, 170, 174; Urteil vom 01.04.1992 – IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818, 2819; Staudinger/Reuter, BGB, Neubearb.2010, § 652, Rn. 149 f; Ibold, Maklerrecht, 2. Aufl.2009, Rn. 112; Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, 6. Aufl.2012, Rn. 654 f; MünchKomm-BGB/Roth, BGB, 5. Aufl.2009, § 652, Rn. 121[↩]
- BGH, Urteil vom 01.04.1992 aaO; vgl. auch Staub/Thiessen, HGB, 5. Aufl.2008, § 93, Rn. 116; Heidel/Schall/Thomale, HGB, § 93 Rn. 27[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2009, aaO, Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.09.1999 – IV ZR 15/99, NJW-RR 2000, 316, 317[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2007 – III ZR 269/06, NJW-RR 2007, 1503, 1504, Rn. 9 mwN[↩]